27.12.2011

Endlich: 2012 offiziell hirnfrei!

Das Ende des Jahres steht an und somit theoretisch zumindest der unvermeidliche Jahresrückblick: Entweder satirisch, damit geschrieben werden kann, was sonst unterm Teppich bleiben muss, denn die Satire darf alles; oder todernst, da das Leben nun mal kein Honigbrot ist. Ich finde aber sowohl dies als auch das doof: Denn ob nun 2011 oder 2007 oder 2005 vor dem Jahresrückblick steht, ist meines Erachtens völlig nebensächlich; denn Kriege gibt es immer, wo Menschen wegen Blödsinn zu Tode kommen, immer wird es unsinnige Rekorde geben, die sinnbefreite Menschen wieder gebrochen haben, was weiß ich äh, 157 Hotdogs in drei Minuten oder so, und generell wird das große Ganze nicht besser, sondern eher schlechter. Das zumindest ist mein Eindruck.
Bezüglich dieses Blogs ist mein Eindruck, dass es/ er tatsächlich ab und an für Kurzweil unter den Lesern sorgt: Das finde ich gut und dafür ist das/der Blog ja auch da. Oh; zukünftig und für alle Zeiten hier: Der Blog. Dabei spuckt die Statistik manchmal für mich verwirrende,  ja auch unbefriedigende Werte aus: Alle Posts, die mit Alkohol und besoffenen Menschen zu tun haben, weisen großartige Zugriffszahlen auf, während die Posts über Literatur sehr, sehr mäßig angenommen werden. Dabei ist es doch so, dass ich für einen Suffpost höchstens dreißig Minuten benötige und für  einen Literaturpost mehrere Tage: Was läuft also falsch? Sind meine Ansprüche zu hoch oder die meiner Leserschaft zu niedrig? Lange dachte ich darüber nach. Das Ergebnis dieses Denkprozesses war jedoch eindeutig:
Mehr saufen, weniger lesen!
Deshalb habe ich all meine Bücher ver - und von dem Erlös diverse Kisten Bier gekauft; das müsste zumindest bis ins neue Jahr reichen. Daher verabschiede ich mich schon einmal von meinen Lesern und von vielen meiner Gehirnzellen und wünsche ein ruhiges Treiben zwischen den Jahren: Wir lesen uns dann 2012 wieder – guten Rutsch.
PROST!

14.12.2011

Mann der Arbeit

Der Nachtportier ist wieder mal pleite.
Darum muss er noch mehr malochen.
Er sortiert jetzt Briefe und stapelt Pakete.
Dafür erhält er kargen Lohn.
`Arbeit muss sich doch lohnen!´, denkt der Nichtmehrnurnachtportier.
Doch das tut sie nicht.
Nachts ruft er den Mond an.
Doch der ist nicht zu Hause.
Er denkt an ein Gedicht, dass er selbst nicht schrieb:
Wer es erdachte? Er weiß es nicht mehr – Zuschriften willkommen.
Ach ja – das Gedicht…

Sozialrevolutionäre Arbeiterlyrik:
Ich stand
am Band.

Ein Trost?


07.12.2011

Wer findet Benno K.? Und wie?

Der moderne Mensch, er ist ein Suchender: Suchend nach dem Sinn des Daseins, nach noch mehr Krempel, den er kaufen kann, nach Antworten und Informationen. Dabei hinterlässt er oftmals Spuren. So ist es möglich, über dieses Blogprogramm die Sucheingaben in Google zu sehen, die auf meine Seite führten.
„Benno Ketten“ beispielsweise wird ab und an gesucht; das freut mich. Die Sucheingabe „benno ketten langweilig“ weniger – aber ich versuche, mich zu (ver)bessern. Auf der Suche nach „herrnketten“ kam eine Besucherin oder ein Besucher zu mir: Besteht hier Bedarf nach Schmuck, der geschlechtsspezifisch zuzuordnen ist? Oder eher nach einem SM-Utensil? Nach Berufsutensilien suchten zwei Interessierte: „nachtportier bekleidung“, nach Utensilien, die dem durstigen Menschen das Trinken abwechslungsreicher gestalten, wurde jedoch das gesucht: „ketten aus bierdeckel“: Ich  weiß nicht, was das sein soll. Dass ein „großer gras fleck“ jedoch für reichlich Unbill sorgen kann, weiß ich aber: Zum Trost dann schnell eine „bockwurst“, von zwei Lesern gesucht. Doch was muss zuerst getan werden, um diese leckere Speise genießen zu können? Richtig: Ein „Schwein erstechen“, was gleich fünf Mal gegoogelt wurde und seltsamerweise auf meine Seite verwies.

 Mein Dönerpost weiß auch weiterhin Rat; „döner pizza kalorien“, das möchten zwei Personen wissen – die Antwort lautet: Viiiieeele Kalorien, und wenn man sich dann die köstliche Speise hoffentlich im XXL-Format einverleibt hat, schwimmt man geradezu im eigenen Saft – oder wie soll ich den Suchbegriff „die triefende“ verstehen? Und was habe ich damit zu tun?

Nichts zu tun habe ich auf jeden Fall mit den folgenden Einträgen: „frauen suchen“ beispielsweise: Sind das nun suchende Frauen oder eher ein Vorhaben eines einsamen Mannes? Und wenn es nun Frauen sind, die Frauen suchen – suchen sie dann auch „bordel für frauen hamburg“? Und überhaupt: „stehe auf stinkende getragenen strumpfhosen wer verl“ - und da verließen den Suchenden die Kräfte: Sind sie da bei mir fündig geworden? Wie das?
Wer also als Suchender nach dem Sinn des Ganzen auf meine Seite geraten ist, dem muss ich leider sagen, dass auch dieser Post nicht zur Erhellung beitragen kann…

29.11.2011

Feiges Begehren

Also, da erhielt ich doch neulich einen Anruf:
GAST (G): Ja, äh, hallo, Erasco Spott, Zimmer 15…äh…ich wollte fragen…äh…können Sie mir was besorgen?
ICH (I): WAS besorgen? Was meinen Sie mit „was besorgen“? Drogen?
G: Nein, nein, keine Drogen…äh…eine Frau.
I: Sie meinen – eine Prostituierte?

Dieses Bild passt nicht zum Text.

G: Ääh…ja, die meine ich. Haben Sie nicht ein paar Telefonnummern, die Sie anrufen könnten? Ich dachte immer, Nachtportiers haben solche Nummern…
I: Nein; leider nein, damit kann ich nicht dienen. Ich kann Ihnen aber eine BILD-Zeitung zukommen lassen, da stehen jeden Tag über eine halbe Seite mit solchen Nummern drin.

G: Hm…ja…hm…äh…können Sie das nicht machen?
I: Was? Dort anrufen?
G: Ja.
I: Nein. Wenn Sie sich schon auf eine solche Weise eine Frau „besorgen“ wollen, dann müssen Sie das schon selbst tun.
G: Äh ja, ja. Selbstverständlich. Danke. Tschüss.
I: Wiederhören.
Die BILD-Zeitung wurde an diesem Abend übrigens nicht mehr benötigt.

25.11.2011

Keine Wolle, kein Käfer, kein Huhn, kein Post

Werte Leserin, werter Leser,
heute gibt es leider keinen Post; es tut mir leid. Nicht, dass es mir nun an Ideen mangelte – das war es nicht; aber irgendwie…äh…
Naja, auf jeden Fall schnappte ich neulich bei einer mir bekannten Person - sagen wir, sie hieß meinethalben „Cordula Schnalz“- etwas auf, also Cordula sagte jedenfalls, dass im Kindergarten ihrer Tochter Traktora gerade ein „Insektenhotel“ gebaut wird. `Aha, Insektenhotel´, dachte ich, und auch `Das habe ich ja noch nie gehört; wie lustig´. `Was soll das sein´, dachte ich weiter, `so richtig mit Bienen-Late-Check-In und Kartoffelkäferdoppelzimmer und so: Da schreibe ich doch glatt mal drüber; denn für mich ist das ja unerhört, weil - noch nie gehört´. Ja, so dachte ich. Und googelte zur Sicherheit noch mal „Insektenhotel“ - und siehe da: 463.000 Einträge, selbst Amazon verkauft die pfiffigen Dinger. Da drin können sich dann Insekten verkriechen und den Winter abwarten – aber für einen Post ist das dann doch ein bisschen wenig. Also kein Wielustiginsektenhotel-Post.
Aber als aufmerksamer Mensch laufe ich ja doch ab und an sehenden Auges durch die Straßen – da fiel mir eines Tages das da auf:

Das fand ich gut, war es doch ein klares Zeichen dafür, dass die umtriebige „Strick-Guerilla“ wieder zugeschlagen hat: Klar, das wird doch mal ein spannender Post, so mit nächtlichen Strick-Ins und so, mit hochkonspirativen Treffen und aufregenden Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei und mit allen Wassern gewaschenen Wollaktivisten, die sich in endlosen Verhören in Widersprüche verstricken; ja, das hätte wirklich gut funktioniert – das wäre aber auch gleichzeitig eine ganz billige Masche gewesen: Je nach Schreibweise zwischen 29.000 – 111.000 Einträge, eigene Facebook-Seite mit mehreren Hundert Sympathisanten, Fernseh- und Zeitungsberichte: Der Strickguerilla in ihrem Bestreben, die Städte schöner und bunter zu gestalten, wünsche ich wirklich alles erdenklich Gute – aber nun einen Post zu schreiben nach dem Motto „Haha, ja schaut mal, was ist das denn“, das wäre nun wirklich ein wenig abgeschmackt. Also auch kein Wollpost.
Und dann lag ich so auf meiner Schlafstatt rum und sinnierte frohen Mutes über das Leben an sich, so – und dann stellte sich mir plötzlich die Frage, warum eigentlich so viele Menschen „Schmeckt irgendwie wie Hühnchen“ sagen, wenn sie etwas Fremdartiges, Neues zum ersten Mal verspeisen: Ob frittierte Insekten, gebratene Geckos, gedünstete Schlangen oder karamellisierte Krokodile – alles schmeckt wie Hühnchen. Dabei sagt doch sonst nie ein Mensch „Heute habe ich ein Hühnchen gegessen“, eher ein Hähnchen, aber das soll jetzt nicht Thema sein. `Ja, fragt sich das denn sonst keiner´, fragte ich mich, so wie ich mich jahrelang ergebnislos fragte, was zuerst da war; Löffel oder Gabel: Doch die Frage war schon zur Zeit der Fragestellung längst wissenschaftlich gelöst (Löffel, denn Fleisch aß man mit der Hand, Brei und vor allem Suppe jedoch nicht), das wiederum wusste ich nicht, denn zum Zeitpunkt meiner Problemstellung gab es noch kein Internet – doch ich schweife ab.
Jedenfalls überrascht das hier jetzt auch nicht mehr –
 Schmeckt wie Hühnchen: 873.000 Treffer-
na toll.
Dann brauche ich da auch nicht mehr mit ankommen, Benno Ketten erklärt uns die Geflügelwelt und so, das haben schon 872.999 Einträge im WorldWideWeb vor mir erledigt, tja-
Niederlage auf ganzer Linie.
Aufgabe.
Und deswegen gibt es heute keinen Post.
Tschuldigung!

22.11.2011

Dr. Gentle and Mr. Breit

Nachdem sich das freundliche, um die dreißig Jahre alte Pärchen von Zimmer 18 nach den Frühstückszeiten erkundigt hatte, verschwand es im Fahrstuhl und ich zurück an meinen Schreibtisch. Wenig später kam der männliche Part des Pärchens noch einmal herunter: „Ich gehe noch mal kurz los, einen Cocktail trinken“, sagte er, wofür ich vollstes Verständnis hatte – denn so ein Cocktail ist doch eine feine Sache.
Ungefähr drei Stunden später bollert und kracht es an die inzwischen verschlossene Eingangstür. Ich öffne und herein kommt der freundliche junge Mann von Zimmer 18. Beziehungsweise der ehemals freundliche junge Mann von Zimmer 18: Anscheinend trank er mehrere Cocktails der Sorte „Bestie“ oder „Sickboy“ oder „Jekyll & Hyde“ oder „Unlucky Punch“ oder was weiß ich, jedenfalls kommt er etwas schwankend, jedoch entschlossen zur Rezeption, bindet dabei seine dicke Uhr ab und fragt mich laut „Ja, ist doch alles okay, oder? Ist doch alles klar oder was? Hä? Ist doch alles klar, oder?“ Worauf ich wahrheitsgemäß antworte: „Ja!“ Und das scheint ihn dann etwas zu beruhigen. Ich händige ihm also seine Schlüsselkarte in seine etwas blutende Hand aus und er verzieht sich verhalten fluchend in Richtung Fahrstuhl. Doch die Erfahrung lehrt: Stark betrunkene Gäste sieht der Nachtportier immer noch mal wieder.
Wenig später klingelt das Telefon und eine weibliche und verängstigte Frau meldet sich aus Zimmer 8: „Jemand will in mein Zimmer einbrechen! Er versucht die Tür aufzubrechen! Helfen Sie mir!“ Na so was: Wer kann das bloß sein…
Ich spurte also zu Zimmer 8, wo der Gast aus Zimmer 18 fleißig erfolglos versucht, sich abwechselnd mit Tritten, Schlägen und Flüchen gegen die Tür sowie seiner inzwischen verbeulten Zimmerkarte Einlass zu verschaffen: Dies gelingt ihm jedoch nicht - weil sich sein Zimmer genau ein Stockwerk darüber befindet. Ich gehe also mit Mr. Hyde die Treppe nach oben, während er halblaut „Kanaken…alle erschießen…die scheiß Kanaken…“ murmelt: Aha, ein dummes Arschloch ist er auch noch.
Wir kommen also beim Zimmer 18 an.
Er klopft.
Sie öffnet.
Und er flötet in einem überaus liebevollen Tonfall: „Liebling, ich bin es!“
 worauf sich die Tür wieder schließt
- und einen perplexen Nachtportier zurücklässt…

18.11.2011

La Peur - Die Angst

Betrachten wir die Geschichte der Kriege, dann stellen wir fest, dass der 1. Weltkrieg eine Zäsur ohnegleichen darstellt: Wurde der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 noch traditionell „Mann-gegen-Mann“ geführt, mit langen Reihen gewehrbewaffneter Soldaten, die auf einem Schlachtfeld auf die andere Seite schießen oder dies mit Kanonen erledigten, die sie nach jedem Schuss neu laden mussten, war der darauffolgende Krieg ein hochtechnisierter Konflikt. Flugzeuge waren dabei, gigantische Geschütze, die kilometerweit feuern konnten und zum Schluss sogar Panzer. Mittendrin: Der Mensch, der gemeine Soldat.
1914 wurde der aufkommende Krieg von beiden Seiten, Deutschland wie Frankreich, begeistert begrüßt; viele Männer meldeten sich freiwillig, hörten sie doch vom letzten Krieg wahrhaft heroische Geschichten, die spannende Abenteuer versprachen. An der Front jedoch wich die Abenteuerlust dem blanken Entsetzen: Hier wurden sämtliche Spielregeln, sämtliche grundlegenden Verhaltensregeln, die zwischen Menschen auch in bewaffneten Konflikten galten, außer Kraft gesetzt; die Soldaten, unabhängig von der Nationalität, wurden durch Granatenbeschuss, Gasangriffen und Maschinengewehrfeuer ermüdet, zermürbt, zerfetzt.
Nach diesem Krieg kamen eine Vielzahl literarischer Veröffentlichungen auf den Markt, die die Eindrücke des 1. Weltkriegs zu verarbeiten suchten: Hemingways „In einem andern Land“ zum Beispiel verarbeitet die Kriegserlebnisse des Autors eigentümlich technisch, männlich, wenig ängstlich. Anders jedoch Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“: Hier wird der gemeine Soldat in den Mittelpunkt gestellt, mit all seinen Entbehrungen, Ängsten, mit all  seinem (ständigen) Hunger. Der Krieg wird so dargestellt, wie er ist: Barbarisch, ekelhaft, schmutzig in allen Belangen. Diese Erlebnisse lassen die traumatisierten Soldaten nicht los, sie finden sich nicht mehr in der Gesellschaft zurecht, der ersehnte Fronturlaub wird zu einem weiteren Trauma. Die entwurzelten Frontkämpfer können auch nach Kriegsende nicht in die Gesellschaft zurückfinden; die meisten scheitern, was in Remarques Nachfolgeroman „Der Weg zurück“ eindrucksvoll beschrieben ist.
Die französische Literatur ihrerseits bietet mit dem überaus beeindruckenden und bedrückenden Roman „Heldenangst“ von Gabriel Chevallier einen tiefen Einblick in die Erlebniswelt eines französischen Soldaten. Der gerade einmal achtzehn Jahre alte Hauptprotagonist, „Dartemont“ genannt, berichtet hier in aller Deutlichkeit von seinen grauenvollen Fronterlebnissen.
1914 also: Krieg. Deutschland ruft „Hurra, auf nach Paris!“, Frankreich erwidert „Hurra, nächster Halt: Berlin!“ Freudige Erregung überall; Dartemont ist neugierig, er meldet sich freiwillig: Er hat nichts gegen die Deutschen, er kennt nicht mal welche, er will sich das nur mal ansehen: Krieg. Als er ihn dann sieht, ist er entsetzt: Überall Explosionen, Schüsse, tote Menschen, zerfetzte Körper, der Geruch des Todes weht permanent über die Schlachtfelder. Aufgewühlte, wie von gigantischen Pflügen umgewälzte Erde, Stacheldrahtverhaue, Gräben, Schlamm, Blut, Leichen, Leichen, Leichen und dazwischen: Die einfachen Soldaten, hunderttausendfach, millionenfach, dazu bestimmt, verheizt zu werden, während die Entscheidungsträger in sicherer Entfernung ihren Wein aus sauberen Kristallgläsern schlürfen. An der Front geht jede Menschlichkeit zugrunde, jeder Soldat hofft auf eine gravierende Verletzung, damit er diesem absoluten Elend entkommt, Verstümmelungen werden in Kauf genommen, nur weg, weg, weg: Herzlichen Glückwunsch zum Verlust Deines Beines!
Die Grenzen verschwimmen; fast scheint es so, dass der Gegner nur eine abstrakte, amorphe Größe ist: Die wenigen direkten Kontakte mit deutschen Soldaten zeigen, dass diese Menschen genauso schlecht dran sind, genauso leiden, genauso als Kanonenfutter dienen.
Was den Roman jedoch besonders macht, ist die eindringliche Schilderung der permanenten Angst: Die gebeutelten Soldaten gewöhnen sich nicht daran, mit dem Bajonett auf offenem Feld  unter Maschinengewehrbeschuss zum Gegner zu rennen, um unter massiven Verlusten 50 Meter Frontabschnitt zu gewinnen. Sie gewöhnen sich nicht an die ständige Gefahr, von Granaten getroffen zu werden; und sie gewöhnen sich auch nicht daran, andauernd in der Gefahr zu schweben, bis über die Knöchel in Fleisch, Menschenfleisch zu stehen, von tumben Vorgesetzten in unsinnige, tödliche Missionen geschickt zu werden. Die ständige Angst ist förmlich greifbar, auf jeder Seite: Das französische Original des Romans trägt demnach auch einfach den Titel „La Peur“ – Die Angst.

Aha?

Solche realistischen Schilderungen kamen bei den Herrschenden natürlich nicht gut an: 1930 erstmals erschienen, wurde der Roman 1939 wieder vom Markt genommen – um die Moral nicht zu untergraben? Um die Soldaten nicht auf falsche Gedanken kommen zu lassen? "Im Westen nichts Neues“, gewissermaßen das deutsche Pendant, wurde aus diesem Grunde sogar verboten.
Die Neuauflage von 2008, im Deutschen 2010, hat nichts eingebüßt von ihrer Aktualität: Krieg ist noch immer unmenschlich, albern, dumm. Noch immer wird über den Krieg geredet wie von einem Ausflug mit Verletzungsgefahr.  Momentan wird die Diskussion geführt: Iran angreifen oder nicht? Und es wird der Krieg erneut, wie schon vor fast 100 Jahren, als technisches Ereignis gesehen: Dabei werden auch bei diesem „sterilen Technoevent“ Menschen zerfleddert im Sand liegen, zerschossen, zerfetzt; mit aufgerissenen Bäuchen schauen sie verwundert auf ihren 12-Fingerdarm, lassen sie Familien zurück, die ihren Ehemann, Vater und Ernährer verloren haben, auch dieses Ereignis wird unendliches Leid über völlig unschuldige Menschen regnen lassen, die eigentlich nur leben wollten wie alle anderen Menschen auch;  Trauma, Hass, Rache: Und der ganze Mist beginnt von vorn.
Also, Herr Ahmadinedschad, Frau Merkel, M. Sarkozy,  Mr. Friedensnobelpreisträger Obama: Vor dem „entschlossenen Eingreifen“, vor dem „In-die-Steinzeit-bomben“ hilft es vielleicht, ein Buch zu lesen - zum Beispiel dieses:
Gabriel Chevallier: Heldenangst, Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München 2010, 24,90 Euro.

15.11.2011

Sparen? Geschenkt!

Es gibt wenige Wörter, die derzeit so häufig verwendet werden wie das Wort „Sparen“. Gespart werden muss überall: In der Wirtschaft, zu Hause, der Staat muss sparen, Ressourcen müssen geschont, also gespart werden, bei Bankenrettungen wird gespart äh; nee, da nicht.
In letzter Zeit wird jedoch auch noch an anderer Stelle gespart: An Buchstaben. Das kommt mir sehr zugute, bin ich doch ein sehr maulfauler Mensch. Schon in der Schule musste ich mir die Aufforderungen „In ganzen Sätzen antworten, bitte“ oder „Full sentence, please“ mehr als genug anhören. Da kommt mir dieser neue Trend sehr gelegen: Hier zum Beispiel:

Da haben sich die Schildermacher ein „R“ gespart. Oder hier:

Gleich zwei Buchstaben: „ER“. Oder schauen wir mal hierher:

Schon wieder ein „R“. Anscheinend herrscht an „Rs“ gerade Mangel. Hier dagegen spart sich der bajuwarische Gastronom…

ein „N“, denke ich; denn so ein Schitzel ist mir noch nicht auf den Teller gekommen.
Was kann aber der normale Bürger tun, also Menschen, die normalerweise keine Schilder beschriften? Gar nicht schwer; einfach überflüssige Buchstaben weglassen. Der gemeine Bremer sagt zum Beispiel „Moin“ zur Begrüßung. Es klappt jedoch ebenfalls hervorragend, wenn man das „M“ weglässt, also „Oin“ sagt. Mache ich so. Hat noch nie jemand bemerkt oder kritisch angemerkt. Etwas förmlicher: „Nabend“. Mit einem gefälligen Kopfnicken und gleichzeitigem Aussprechen der Endung „nd“ jedoch bastelt sich das Gehirn des Gegenübers den Rest zusammen, jedenfalls hat auch bei dieser einfachen Sparsause noch nie jemand etwas gesagt und demnach klaglos akzeptiert: Klasse, was?
So; was haben wir denn jetzt gespart: M, ER, R, nochmal R, N und das ganze Wort NABE. Und da ich heute meine Spendierhosen anhabe, schenke ich all meinen Lesern ein Wort; nämlich dieses:
ARMBRENNER.
Bitte schön! Völlig umsonst!
In diesm Sinne einn schönn Tag wünscht Ihnn un Euch der schlaue Spafuchs
Benno Kettn

11.11.2011

Handwerk hat goldenen Boden!

Oh, seht doch!: Ein wackerer Soldat. Scheint ja frohen Mutes zu sein; vielleicht freut er sich schon, dass er bald wieder zu seiner heldenhaften Arbeit schreiten darf: Der Krieg ist´s, der den Manne formt!
Nein, wie romantisch! Tja, das aufregende Soldatenleben: Hier und da mal ein Mädchen, bevor dann wieder der ganze Mann gefordert wird! Dann geht es auf in den Kampf HURRA!, und wenn der Feind dann kommt mit dem Schießgewehr PIFF!PAFF! dem Gegner ein paar lustige Löcher in den Kopf verabreichen.
Ha!, und wenn das nicht reicht, hilft der tapfere Töter mit der Handgranate nach; dann lernt der Gegner fliegen! – in alle Richtungen. Aber eigentlich gibt es nur einen ehrenvollen Kampf, jahaa, und zwar der Kampf Mann-gegen-Mann; das ist noch das wahre Kriegshandwerk, mit meinem tollen Fernglas spüre ich den Feind auf und mit meinem tollen Dolch schlitze ich den Feind auf vom Kinn bis zum Nabel und dann binde ich mir aus seinem dampfenden Gedärm eine schicke Krawatte: Jetzt nur noch ein sommerlicher Sonnenuntergang!
Und wenn der Sommer dann vorüber ist: Nicht verzagen, der Seemannstroyer ist schon da – noch mal winterliches Kesseltreiben: Das passiert uns nicht mehr, niemalsnicht!

Und irgendwann ist der Krieg auch aus und ob der nun gewonnen wurde oder nicht, ist doch ganz egal: Denn ich gehe erst einmal in das Hospital – und nicht nur ich, sondern der Mann mit dem weggeblasenen Kopf kommt auch mit und der Mann, der jetzt viele ist, kommt auch mit und der Mann mit dem offenen Bauchraum kommt auch mit und selbst meine neue Krawatte kommt auch mit; denn die kriege ich nicht mehr ab.
Nie mehr ab.
Soldat: Ein Job zum Lachen!

08.11.2011

Nächtliche Flachatmung

Es war ungefähr 23.30 Uhr, als an der Rezeption das Telefon klingelte. Es meldete sich ein asiatisch oder arabisch anmutender männlicher Gast, der mir mit akzentbeladener Stimme aus einer der Apartmentwohnungen versuchte, mir in englischer Sprache folgendes klarzumachen:
Gast (G): Guten Abend, äh, rufen sie den Doktor, mein Freund atmet sich nicht mehr.
Ich (I): Was? Er atmet nicht mehr? Ist er –tot?
G: Nein, nicht tot. Er bewegt sich nur nicht mehr. Bitte, rufen sie den Doktor.
I: Er lebt also noch?
G: Ja, er lebt noch – nur sehr langsam. Er hat kaum Puls. Bitte, rufen sie den Doktor.
I: Gut, ich werde einen Krankenwagen rufen. Er wird gleich da sein.
G: Danke.
Worauf der Krankenwagen dann auch wenig später erschien. Ich schilderte den Sanitätern die Situation, die Sanitäter wiederum eilten ins Apartment – ein Menschenleben retten.
10 Minuten später waren sie wieder an ihrem Fahrzeug. Als ich fragte, was denn dem Herren fehlte und ob es etwas Ernstes gewesen sei, lächelten sie und meinten:

„Nein, der Patient war in keinem lebensbedrohlichen Zustand. Vielmehr rieten wir ihm, sich ausreichend und gut zu ernähren, ausreichend zu trinken und sich regelmäßig an der frischen Luft zu bewegen. Sein Kreislauf war einfach nicht mehr ganz auf der Höhe. Ursache war offensichtlich die Tatsache, dass die Herren seit mehreren Tagen ununterbrochen vor dem Fernseher hingen.“
Nun; offensichtlich ist das deutsche Fernsehprogramm wohl doch nicht so schlecht…

04.11.2011

Morbide Sonntagsfernseher

Wenn wir über Fernsehkrimis reden, dann werden wir über kurz oder lang auch über den „Tatort“ sprechen müssen. Tatort, das ist ja für viele Menschen eine Institution, gewissermaßen der spannende Ausklang eines (schönen oder aber auch langweiligen) Wochenendes. Dabei höre ich auffallend oft dies:
„Ich sehe eigentlich nicht viel fern, eigentlich gar nicht, nur den Tatort am Sonntag.“
Als wenn viel Fernsehen eine Schande wäre. Ich zum Beispiel sehe sehr gerne fern, oftmals ist es mir sogar egal, was: Einfach zappen, 30 Kanäle raufrunterraufrunterraufrunter und das stun-den-lang. Sehr entspannend.
Besonders in gebildeteren Kreisen herrscht dieses „Tatort-sonst-nichts“-Denken vor; hier wird manchmal gar der Fernseher einmal in der Woche aus dem Keller geholt und extra für das Krimivergnügen aufgebaut. Überhaupt neigt der aktiv denkende Mensch eher dazu, gar keinen Fernseher zu besitzen: Der Nichtbesitz des Fernsehers – ein Statussymbol? Oftmals ja. Ich weiß aber von so einigen fernseherlosen Leuten mit Intellekt, dass sie vor allem deswegen keinen Fernseher haben, weil sie sonst ihre gesamte Zeit vor der Glotze verbringen würden; ihr gesamtes Leben würde ruckzuck den Bach runtergehen und sie würden aufgrund der Knabberfernsehkost schwupppdiwupp dick und rund werden.
Aber der Tatort muss sein.

Warum?
Ist der Tatort nun die intellektuelle Bastion der heimischen Abendunterhaltung schlechthin? Finde ich oftmals nicht. Ich finde eher, dass man sich manch Tatort hätte schenken können: Denn im Tatort gibt es sich regelmäßig wiederholende Stereotypen: Zum Beispiel der Typ „Pubertierender Teenager, der aus lauter Unverstandensein Scheiße baut“. Oder aber der Typ „Leicht geistig Behinderter“, der dem ganzen Plot irgendwas geben soll: Menschlichkeit? Geheimnisumwittertes, mystisches Flair?
Was sollen also diese ständigen Wiederholungen: Fällt den Autoren nichts mehr ein? Fehlt es an Kreativität?
Was sollen also diese ständigen Wiederholungen: Fällt den Autoren nichts mehr ein? Fehlt es an Kreativität?
Die andere Sache, die mich wirklich nahezu jedes Mal aufregt, ist diese Nummer:
„Geben sie auf, Hoffmann, es hat doch keinen Zweck!“ Oder diese:
„Pannemann ist verschwunden!“ Oder aber auch:
„Rindspelt hat auf Kackebart geschossen: Aber welche Rolle spielt dabei Bockschuh?“
Haben die Protagonisten wirklich nur Nachnamen? Kein „Herr“, kein „Frau“? Gerade bei diesen Anreden fällt mir auf, dass der Tatort bloße Fiktion ist – und das will ich nicht, wenn ich einen Film sehe. Sonst ende ich noch wie diese seltsamen Menschen, die krampfhaft, ja manchmal sogar krankhaft, Filmfehler suchen und dabei das reine Vergnügen aus den Augen verlieren.
Aber das soll jetzt nicht das Thema sein. Und überhaupt, was soll denn immer die destruktive Nörgelei? Bei den Sammelpunkten neulich war das doch auch schon so: Krise oder was?
Klarkommen, Ketten!


01.11.2011

Wer kauft, der spart!

Kürzlich fragte mich eine geneigte Leserin (des Datenschutzes wegen nennen wir sie hier an dieser Stelle mal Sabinchen Flipp), ob ich schon einmal über die Sammelpunkte berichtet hätte, die es in großen Supermärkten ab einen bestimmten Warenwert als Geschenk obendrauf gibt. Wenn man dann dreißig Marken in sein kleines Album geklebt hat, gibt man es ab und man kann hochwertige Dinge zu einem niedrigeren Preis erwerben.
Anschließend schilderte Sabinchen Flipp eine Szene, die sich jüngst zutrug: Sie beobachtete eine ach; lassen wir sie doch selbst zu Wort kommen:
Wurde an dieser Stelle eigentlich schon mal über Sammelpunkte großer Supermärkte philosophiert? Nachdem gerade eine, m.E. wohlsituierte Frau vollkommen an einer Kasse ausflippte, weil sie nur VIER statt SIEBEN!!!!
Sammelpunkte bekam, halte ich es für dringend notwendig, dies einmal zu thematisieren!!!“
Ja!, das ist ja wohl ein Ding, oder? So muss die arme Frau noch einmal einkaufen gehen, damit sie ihr kleines Album voll hat. Um dann zum Beispiel einen Spargeltopf enorm preisreduziert zu erwerben. Oder ein Käsemesser oder eine elektrische Pfeffermühle mit Beleuchtung oder einen Pastateller. Oder sogar ein schickes Gästehandtuch; das sind diese kleinen Handtücher, die weder Waschlappen sind (zu klein) noch ein richtiges Handtuch (zu groß) – quasi ein Hybridhandtuch. Ich finde Haushalte immer etwas seltsam, die mit solchen Hybrid-Gästehandtüchern ausgestattet sind: Warum sind diese Handtücher so winzig? Haben Gäste grundsätzlich kleinere Hände?
Doch das soll hier jetzt nicht Gegenstand sein. Vielmehr geht es jetzt um Sammelpunkte. Und ich oute mich JETZT: Denn ich bin ebenfalls ein Treuepunktsammler. Jedes Mal lasse ich mir von den jeweiligen Märkten die begehrten Treuepunkte aushändigen. Zu Hause klebe ich sie  mit tiefer Genugtuung in meine Sammelälbchen. Und dann freue ich mich wie blöd, wenn ich ein Treuepunktälbchen vervollständigt habe. Super! Wenn die Frist zum Erwerb der enorm tollen und enorm preisreduzierten Dinge dann abläuft, werfe ich die mühsam beklebten Sammelalben in den Papiermüll:
Denn ich brauche einfach nichts von den dargebotenen Gütern. Mir genügt allein die kleine Freude des Treuepunktsammelns, der Rest interessiert mich nicht.
Anthropologisch, so hörte ich einmal, ist nur eines sicher: Dass sich die Menschen in zwei Gruppen einteilen lassen: In „Raucher“ und „Nichtraucher“. Ich gehe einen Schritt weiter und behaupte, dass sich die Menschheit außerdem in „Braucher“ und „Nichtbraucher“ klassifizieren lässt (wer davon jetzt raucht oder nicht raucht, ist momentan zweitrangig). Bei den Nichtbrauchern ist die Sache eigentlich klar; Nichtbraucher brauchen nur das Nötigste: Einen Tisch. Eine Sitzgelegenheit. Ein Bett und so weiter. Dabei kann es ruhig teuer sein, das ist dem Nichtbraucher egal. Der Braucher jedoch meint, alles brauchen zu MÜSSEN: Ein Mobiltelefon mit Edelsteinen dran. Ein I-Pad/I-Phone. Alle zwei Jahre ein neues Auto, überhaupt: Ein Zweit-, ein Drittauto. Generell Dinge, die eventuell nützlich werden könnten und die man mitnimmt, weil sie günstig oder einfach da sind.
Ein mir vertrauter Freund sagt häufig – nennen wir ihn an dieser Stelle mal, sagen wir, äh, so: Antibert Kneiffen- Antibert also sagt häufig „Nur wer kauft, hat wirklich gespart“, wenn er diese sinnlose Konsumfreudigkeit anprangert: Und da hat er recht;  wie viel Schunder in jedem Haushalt in irgendwelchen Schränken vergammelt, irgendwelche Verlegenheitsgeschenke irgendwelcher Menschen, weinende Clowns, Sektglasvereiser, su-per-günstige Schnäppchen, die beim ersten Gebrauch kaputt gehen – aber auch Autos, die nur bei Sonnenschein gefahren werden dürfen, blödsinniger Plunderschmuck (ob echt oder nicht, ist völlig egal) oder hässliche Handtaschen für zigtausend Euro…
Und diese Brauchermentalität ist es, die diesen Planeten zugrunde richten wird; denn die Nachfrage bestimmt das Angebot: So viel Scheiße wie heutzutage wurde noch nie hergestellt, die Schwellenländer pochen momentan auf ihrem vermeintlichen Recht, die Erde genauso zu verdrecken wie die Erste Welt; jeder Mensch meint, er hätte das Recht, ein Auto zu erwerben, das mehr als 10 Liter schluckt („das eine Auto“), Tropenholzfußböden werden immer noch verlegt („die paar Quadratmeter“) und massenhaft CO² wird in die Luft geblasen, weil das heimische Kaminfeuer sooo schön kuschelig ist… Und es wird gekauft und gekauft, um die eigene innere Leere zu füllen, und drumherum wird es immer voller und voller, bis man an dem billigen oder auch teuren oder ehemals teuren und jetzt preisreduzierten Plunder erstickt.
Doch ich schweife ab. Eigentlich ging es ja nur um Rabattmarken und die damit zu kaufenden Dinge, die sowieso jeder Mensch schon im Schrank hat oder niemals brauchen wird. Deshalb:

Unnötigen Mist zu kaufen bedeutet, dass unnötiger Mist weiterhin produziert wird.  Diese Spirale aus schwachsinnigen Kompensationskäufen und der Herstellung fabrikneuen Überflussschunders wird uns früher oder später zum Verhängnis werden. Und weil die  meisten Menschen glauben, dass Wohlstand darin besteht, diesen unnützen Kack besitzen zu müssen, wird dieser Umstand wohl eher früher eintreten…

Was bist also DU: Braucher oder Nichtbraucher?

28.10.2011

Der Gast neigt zur aktiven Fassentspannung: Freimarkt 2

Gäste, die der Fassentspannung nicht abgeneigt gegenüber stehen, sind leider häufig mit viel Arbeit verbunden. Und wenn Freimarkt ist, muss damit gerechnet werden, dass nahezu alle Gäste der Durstbekämpfung oberste Priorität einräumen. Dann muss die Kollegin bei der Schicht-Übergabe eigentlich nur „Bus“ sagen, damit ich weiß, dass bereits am Mittag eine ganze Busladung feierfreudiger Personen stockbesoffen aus dem Gefährt gefallen ist: Nun ja.
Jedenfalls war ich gerade mit der Kassenabrechnung beschäftigt, als ich einen dumpfen Aufschlagston, also so ungefähr „DUNK!“, vernahm. Dieses charakteristische Kopf-auf-Boden-Geräusch kam vom Fahrstuhl; dort lag ein Mann mittleren Alters: Der Oberkörper lag vor dem Fahrstuhl, die untere Hälfte im Fahrstuhl. Die Fahrstuhltür wollte in regelmäßigen Abständen schließen, das ging aber nicht, so dass sie alle zehn Sekunden den liegenden Mann schließen wollte; was ja Quatsch war, denn der Mann war ja schon zu (ich weiß: Der Witz war schal). Offensichtlich ist der Gast nach Betreten des Fahrstuhls zu Boden gegangen und lehnte sich daraufhin an der Fahrstuhltür an; diese öffnete sich dann im Erdgeschoss – DUNK!
Eine andere Geschichte, in der der Fahrstuhl die Hauptrolle spielte, ist meinem Kollegin passiert: Er wurde von Gästen darauf aufmerksam gemacht, dass im Fahrstuhl eine Person läge. Was er sah, erfreute ihn nicht: Ein Mann mittleren Alters in einem sündhaft teuren Anzug – leider mehr oder weniger suffbewusstlos und vollgekotzt von oben bis unten. Der werte Kollege zog sich also einen blauen Müllsack an und brachte den trunkenen Gast mit einem nicht unerheblichen Aufwand in sein Zimmer und reinigte anschließend den besudelten Fahrstuhl. Den Rest der Schicht verbrachte der werte Kollege in einem diffusen Dunst aus Mageninhalt und Schnaps…
Mir hingegen geschah einmal dies: Da kommt der werte Gast mit gefühlten 15 Promille ins Hotel gewabert, durchwühlt ungefähr zehn Minuten seine Taschen und stellt anschließend fest: „Oooasluuuaars!“ „Wie bitte? Wie heißen Sie denn?“ Und das ist bei stockbesoffenen Gästen immer so eine Sache: Bei schwerwiegender Trunkenheit wechseln die Gäste häufig ihre Namen; sie heißen dann oftmals „Hissöa!“. Oder „BLAAL“. Herr Blaal also –das habe ich inzwischen herausbekommen- findet seine Schlüsselkarte nicht mehr wieder. Während ich seine Taschen nach dieser Karte absuche, fuchtelt mir Herr Blaal mit einem dicken Bündel Geldscheinen, geschätzt 2000 Euro, vor meiner Nase herum und verkündet, dass er ALLES bezahlen könne: Was er bezahlen möchte, bleibt sein Geheimnis. Und wirklich: Aus den Tiefen seiner vielen Taschen finde ich die Zimmerkarte.
Kein Thema, Herr Blaal, gern geschehen, ja, Gute Nacht:
Wir sehen uns bestimmt noch mal wieder.
In diesem Zustand kommen sie ALLE noch mal wieder.
Als Herr Blaal wiederkommt, verkündet er, dass er keine Schlüsselkarte habe: Meinen Einwand, dass ich ihm vor wenigen Minuten eine Karte in die Hand gedrückt hätte, weist der Herr entrüstet von sich: Ach, was soll´s; neue Karte ausstellen:
Gute Nacht, Herr Blaal – bis später.
Zehn Minuten später berichtet mir ein Gast, dass im 1.Stock vor dem Fahrstuhl ein Mann liegen würde: Herr Blaal hat es sich offensichtlich gemütlich gemacht; seine Jacke als Kopfkissen verwendet und seinen Hut ins Gesicht gezogen, erwartet er anscheinend eine geruhsame Nacht. Während ich ihn anbrülle, er möge doch bitte aufwachen, versetze ich ihm tatsächlich ein paar Hallowachohrfeigen – eigentlich nicht so meine Art.
Irgendwann bewegt sich der werte Herr Blaal. Um ihm das Aufstehen zu erleichtern, unterstütze ich ihn mit diesem Erste-Hilfe-Griff, mit dem man Verletzte aus Autos birgt; Rautekgriff heißt er wohl. Und wie ich so hinter ihm stehe und versuche, diesen 120-Kilo-Koloss zu bewegen, also genau in dem Augenblick, wo ich ihn hochwuchte – kotet sich Herr Blaal geräuschvoll ein.
Fassungslosigkeit macht sich ebenso breit wie ein infernalischer Gestank. Aber was hilft´s?, Herr Blaal muss in sein Zimmer. In seiner Behausung angekommen, halte ich ihm eine Gardinenpredigt: „Wie kann man sich SO volllaufen lassen? Wo bleibt da die Würde, sagen Sie mir das, Herr Blaal – HERR BLAA-HAAL ach: zwecklos. Herr Blaal: Viel Vergnügen morgen.“

Das war nicht so schön. Und vor allem waren das nur drei von vielen Geschichten rund um die Freimarktzeit.
Also: Noch Durst?

25.10.2011

Der Gast neigt zur aktiven Fassentspannung: Freimarkt 1

Wenn ich in die Situation komme, ein paar Hotelanekdoten zum Besten geben zu müssen, dann sind die Begebenheiten, in denen Alkohol im Spiel ist, sehr beliebt; mischt sich hier doch die ausgelassene Schadenfreude über den Betrunkenen (Gast) mit der Schadenfreude über den Erleidenden (Ich).

Es gibt also gewisse Zeiten in Bremen, die der ausgiebigen Trunkenheit sehr förderlich sind: Freimarkt, Weihnachtsmarkt, 6-Tage-Rennen und allgemeine, unvorhersehbare Ereignisse wie beispielsweise ein lauer Sommerabend, wo die ganze Stadt kollektiv auszurasten scheint.

Jetzt aber: Freimarkt. Ein Jahrmarkt, auch Kirmes genannt oder sogar: Rummel.

Mittlerweile habe ich doch einige Freimarktzeiten im Hotel erlebt und kann wirklich sagen, dass der allgemeine Durst etwas nachgelassen hat; dennoch sind die Gäste weiterhin meilenweit davon entfernt, nüchtern ins Hotel zu torkeln. In der Tat gab es Tage, in denen wirklich alle Gäste, also 100% der „Hausbewohner“, mit ordentlich Schlagseite in die Herberge waberten. Dabei ist es wirklich nichts Außergewöhnliches mehr, wenn die Gäste ihre Zimmernummer nicht mehr wissen. Oder durch das Hotel irren und nicht mehr wissen, wo sie wohnen. Dann gehe ich ab und an auf „Patrouille“, sammle die Trunkenen ein und führe sie zu ihrem Zimmer. Wenn sie ihre Zimmernummer schon wieder vergessen haben sollten: „Setzen sie sich hier hin, bewegen sie sich nicht, ich bin gleich wieder da“: Zur Lobby, Zimmernummer rausfinden und hoffen, dass der Gast noch da sitzt, wo man ihn hingesetzt hat.

Schwierig wird es, wenn die Gäste ihren Namen nicht mehr wissen: Doch, das kommt häufiger vor, als man so denkt. Dann:

„Also; beginnt ihr Nachname mit einem `A´?“

Kopfschütteln.

„`B´?“

Kopfschütteln und so weiter, bis man fündig wird. Und das kann dauern, denn oftmals kann der Gast nicht einmal mehr sprechen. Dann folgt der eher unangenehme Teil der Arbeit: Ausweis verlangen - und wenn der Gast das auch nicht mehr versteht; Taschen und Hosentaschen durchwühlen in der Hoffnung, eine Form der Identitätsbestätigung zu finden. Hat man diesen Daseinsbeweis gefunden, mit der Zimmerbelegung vergleichen.

Und gegebenenfalls feststellen, dass der Herr oder die Dame gar nicht bei uns wohnt, da man eine Zimmerkarte vom „Kongo-Hotel“ gefunden hat. Also: Taxi rufen und den fremden Gast im Auge behalten, der sich derweil dazu aufrafft, sein Nachtlager in der Hotellobby aufzuschlagen. Dann dem erscheinenden Taxifahrer die Nachricht überbringen, dass er nur 200 Meter fahren muss, der Gast aber diese 200 Meter zu Fuß in diesem Zustand keinesfalls überleben würde: Der Taxifahrer freut sich.

Nicht.

Ich aber würde mich freuen, den geneigten Leser alsbald wieder zu begrüßen; dann gibt es konkrete Fallbeispiele des ausufernden Alkoholkonsums:

Und wer dann noch Durst hat, ist selbst schuld.

21.10.2011

El Tinkerbello?

Hierzulande scheint sich momentan eine neue Modehundewelle auszubreiten: Nachdem wir vor einigen Jahren massenhaft Paris Hilton – Schoßhündchen erleben mussten und sich wohl gerade die Mops-Welle etwas beruhigt hat, baut sich langsam die nächste hippe Woge auf: Der spanische Straßenhund.



Es ist anscheinend trendy, einen ausgemergelten, verzottelten Straßenköter auf Spaniens Straßen aufzugabeln und keine Kosten und Mühen zu scheuen, um dieses liiiebenswerte Hundchen ins deutsche Hundeparadies zu bringen; dann erzählt man den neugierigen Daheimgebliebenen die herzerweichende Geschichte vom treuen Hundeaugenblick, dem erbärmlichen Zustand des Tieres und seiner verängstigten Seele.

Doch seht her! – Er ist wie ausgewechselt, tollt herum, fröhlich jagt er dem bunten Ball hinterher und was hat der Kleine für einen Appetiiiit!


Top! Die Nachbarschaft ist gerührt und neidisch: „Nächstes Jahr geht´s auch mal nach Spanien“, sagt angetan Frau Peltzhempt, doch denkt dabei `und dann schnell auchn Hund einsammeln, bevor die Viecher knapp werden´…

Ja wie: Werden die verranzten Wauwaus tatsächlich rar? Das wäre doch schön, vor allem für die Hunde. Ich habe aber den Eindruck, dass immer mehr gutsituierte Familien schlechtsituierte Bellos als Statussymbol in den kühlen Norden bringen: Ob es schon so etwas wie eine Zottelhundmanufaktur gibt, wo arme, ahnungslose Hunde auf Gammel und Straße getrimmt werden? Oder machen das die Hunde selbst, weil ihnen das spanische Hundefutter nicht mehr schmeckt?


Oder ist es gar so, dass sie –wie Stone-washed-Jeans- für fünf Minuten in großen Tonnen rollen, die mit Straßenstaub, Steinen, gebrauchten Spritzen, Läusen und abgestandenen Bier gefüllt sind und sie dann völlig benommen wieder rauspurzeln? Sozusagen ein „Stone-bashed-Hund“? Und das alles für besseres Hundefutter? Oder macht das der Staat selbst, um dann Ausfuhrgebühren zu kassieren und Quarantänegebühren und Impfgebühren und, und, und…

Und vor allem: Wo sind jetzt eigentlich die ganzen Paris Hilton-Hunde? Auf Spaniens Straßen?

Ja und überhaupt: Wo ist denn eigentlich Paris Hiltons Hund? Hat den irgendjemand mal wieder an oder auf Paris Hiltons Arm oder in Paris Hiltons Handtasche gesehen?

Nee.
Ich auch nicht.

Caramba!

19.10.2011

Verwirrung in der Lobby

Kollegin H. war ratlos: Wer bitteschön soll denn diese offensichtlich verwirrte Frau sein, die seit einer halben Stunde nahezu bewegungslos in der Lobby stand? Ich unternahm also den Versuch einer Kontaktherstellung – leider vergeblich: Sie sagte nichts, sie ließ sich nicht berühren, vielmehr bewegte sie sich jetzt langsam Richtung Treppe in den ersten Stock.

Hm.

„Polizei rufen?“, rätselte H.
„Polizei rufen“, antwortete ich.

Welche dann auch erschien und versuchte, die Dame aus dem Hotel zu bekommen: Das war nicht einfach. Die Dame musste regelrecht überwältigt und aus dem Hotel geschleppt werden. Kurz darauf kamen die ratlosen Ordnungshüter mit der Dame wieder zurück: Sie wolle einzig und allein mit mir reden.
Und das tat sie.



Einen einzigen Satz.

Sie sagte:

„Normalerweise habe ich ein Messer dabei!“

Worauf die Beamten recht erleichtert wirkten.

Und ich wohl auch.

14.10.2011

Schrauben, Schmiere, Kaltverdrahtung

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, publizierte ich bereits 2003 auf der Seite http://www.autoschrauber.de/die eine oder andere Alltagsgeschichte.

Und wie es sich für eine anständige Auto- und Motorseite gehört, müssen diese Autos und Motoren auch getestet werden.

Habe ich auch getan.

Doch lest selbst:

Werte Freunde der lockeren Schraube,

am 3. November jeden Jahres begehen wir den "Tag des Mannes". Und auch ich war an diesem Tag mal ganz Mann; um dieses Gefühl überschäumender Männlichkeit wirklich auszukosten, übernahm ich jüngst die Reparatur des Autos meines Nachbarn Tietz. Er, seiner Freizeit beraubt, weil er mit der Familie in den Zoo mußte (HA!), mit dem Bus (MEMME!) und zu Fuß (MUPE!), vertraute mir sein Heiligtum an. Hier das Protokoll der Reparatur:

-Nach kurzer Schilderung des Fahrzeughalters T., wonach der Motor nicht laufen würde, begab ich mich zum Fahrzeug, um den Motor zu begutachten. Hierbei stellte ich folgendes fest: Rohre, Kabel, runde und eckige Kästen und kleinere Kanister für irgendwas. Die Berührung des Objekts ergab einen leicht schmutzig-fettigen Film auf der Hand, welcher die gründliche Behandlung des Objekts mit Bürste und Seifenlauge nötig machte.

Nach eingehender Säuberung des Motors prüfte ich alle Steckverbindungen auf Festigkeit; dem starken Ziehen hielt keine Verbindung stand (dann KANN ja nichts laufen). Auch hier Schmutz; alles durchgespült. Nach den notwendigen Vorarbeiten ging ich nun zur Reparatur über. Vor allem die mangelhaften Steckverbindungen gaben mir zu denken und ich beschloss: "Das muss heißgeflanscht werden." Ich beendete diese Arbeit auf altbekannte Weise und widmete mich nun der exakten Messung anhand der Braat-Skala: sie zeigte den Wert 5,2 an, welcher innerhalb des Spannungsdurchschnittsgefüges lag. Auch die Impulsdrahtung nach dem Fondorprinzip ergab keine Auffälligkeiten; diese Fehlerquelle konnte also ausgeschlossen werden.


Die klassische Dreischeibensternmotorenlehre besagt ja, dass stets ein Vakuum zu erreichen sei. Deswegen beschäftigte ich mich genauer mit allen Öffnungen und konstatierte erhebliche Mängel. Die Überlegung "Ich mache jetzt erstmal alles plan und dann schweiße ich das naht" war demnach nur logisch. Die Arbeiten gestalteten sich sehr aufwändig (Zollmaß beachten!), aber letztlich gelang diese diffizile Aufgabe.

Nachdem ich abschließend noch die Transportflimmerung des Benzinansaugstutzens optimierte und die Rindspelt-Monken - Aufhängung links ablötete, betrachtete ich die Reparatur des Vehikels für abgeschlossen.- Soweit zur Technik.

Ich weiß gar nicht, was ihr Schrauber für Probleme habt; ist doch alles halbe Höhe. Wenn ihr also das nächste Mal Schwierigkeiten mit Euren Autos habt, dann erspart Euch doch gleich das "Wer-kann-mir-bei-meiner-Öllüftungsschnabelmuffe-helfen" und fragt gleich mich.

Ich mach´ das dann schon.

11.10.2011

Demütige Schirmherren

Jetzt, wo uns unser geliebtes kapitalistisches System fulminant um die Ohren fliegt, der Euro-Rettungsschirm immer gigantischer und die Zahl der betroffenen Staaten immer größer wird, springt unser Land notfalls mit bis zu 211 Milliarden Euro ein, um die Währungsgemeinschaft zu retten.

Um es gleich zu sagen: Ich habe keinen blassen Schimmer, was da vor sich geht, denn mir fehlt vollkommen das Interesse: Da ich immer in der finanziellen Krise stecke, ich dauernd im Minus und somit ständig pleite bin, geht mir das Thema Geld völlig am Gesäß vorbei; denn ich habe keines. Und somit habe ich auch keine Angst um mein erspartes Vermögen, mir sind Zinsen furzpiepegal und das Geld anderer Leute ist mir vollkommen schnuppe.

In Interviews höre ich dieser Tage jedoch auf die Frage „Und wer soll das alles bezahlen?“ häufig diese Antwort:

„Der kleine Mann auf der Straße.“

Und da entstehen vor meinem inneren Auge natürlich sofort Bilder: Bilder von Männern unter 165 cm, wie sie mit dicken Portemonnaies und schwer beladenen Schubkarren vor dem Finanzamt rumlungern, Szenen von aufgewühlten Kleinwüchsigen, die Post vom Staat erhalten, worin sie (bereits mit Überweisungsformular) aufgefordert werden, unser verarmtes Land zu retten etc.


Doch das ist selbst mir zu billig. Zwar bin ich durchaus ein Freund billiger Witzchen, aber dieses Niveau ist selbst mir zu weit unten angesiedelt. Vielmehr beschäftigt mich die Frage, wer sich bereitwillig dort unten ansiedelt und sich selbst als „kleinen Mann“ tituliert; also: Wer? Wie kann es sein, dass nicht wenige Menschen so wenig Selbstbewusstsein besitzen, dass sie sich selbst so klein machen? Sagen diese Menschen dann auch standardmäßig „meine Wenigkeit“?

Wenn es also „kleine Männer“ geben sollte, die diesen Post hier lesen, dann:

Reißt Euch wenigstens ein einziges Mal zusammen, habt wenigstens für einen Moment Mumm in den Knochen und outet Euch JETZT! unter „Kommentare“.

Mit Adresse, bitte.

Dann schicke ich auch ein Überweisungsformular.

07.10.2011

Eingeschränkter Straßenverkauf

Ein Mann mit einer Aldi-Tüte betritt die Lobby:


ER: Rufen sie die Polizei, ich wurde angesprochen!

ICH: Ich denke nicht, dass das strafbar ist…

ER: Aber ich bin behindert!

ICH: Aber auch Behinderte dürfen ungestraft angesprochen werden...

ER: Aber die wollten mir was verkaufen!

ICH: Da wird die Polizei aber nichts machen können, das sind Profis…

ER: Aber ich bin behindert!

ICH: Auch Behinderten darf man gewisse Sachen anbieten…

Worauf der Herr die Lobby wieder verließ.
Und ich frage mich:

Was wollte er?

04.10.2011

Tierwelt auf dem Bierdeckel

Mein letzter Post handelte unter anderem von einem Zoo, einem Menschenzoo auf dem Planeten Tralfamadore, nachzulesen in dem Roman „Schlachthof 5“ von Kurt Vonnegut. Menschenzoos, die kennen wir hier gar nicht (wenn wir mal von "Big Brother" und ähnlichem Quatsch absehen). Wir kennen nur Zoos mit Tieren, mit großen Tieren, mit kleinen, mit exotischen, mit einheimischen.


Aber wie ist das eigentlich so, mit den Zoos? Jahrelang war ich ein eifriger Pro-Verfechter der Zoo-Idee, „Super, dann sterben die Tiere nicht aus“ oder „So kann man auch Tiere sehen, die man sonst nicht sehen kann“ oder, einem Ausspruch entnommen, den ich mal irgendwo gehört habe, „Zoos sind gut, weil die Tiere da nicht weglaufen können“.

Ich erinnere mich dunkel: Vor Jahren hat die BILD-Zeitung einmal folgendes in ihrer In/Out-Liste gemeint: „OUT: Zootiere, die sich verstecken“; hm. Da hatte sie, habe ich jedenfalls damals gedacht, recht. Weil, nichts ist blöder als der Umstand, dass du dir eine sauteure Zooeintrittskarte gekauft hast, um dann feststellen zu müssen, dass sich die Tiere nicht zeigen wollen. Und wenn das auch noch gehäuft aufgetreten ist, also wenn weder das Gnu noch der Orang-Utan oder der Eisbär oder der Gecko zu sehen waren, dann war da irgendwie der Verdacht, dass sich die werten Tiere abgesprochen haben.

(Heute wissen wir ja, dass auch Zootiere ihren freien Tag haben; die legen sich dann gerne den Tag so, dass sie ihre Freizeit nicht alleine verbringen müssen. Ist ja auch langweilig und deprimierend, wenn man alleine im Café sitzt oder im Kino. Deshalb tun sich viele Tiere an einzelnen Tagen zusammen, um gemeinsam einen Kaffee zu trinken oder zum Fußball zu gehen oder ins Theater. Und das ist auch wichtig: Sich mal richtig auskotzen, so von wegen `Scheiß Job´ und so.)



Das waren übrigens die miesesten Fritten meines Lebens; erhältlich im Zoo Berlin, nahe dem gleichnamigen Bahnhof (falls jetzt noch jemand Appetit hat).

Na, jedenfalls fand ich das gar nicht so lustig, so einen (scheinbar) halbvollen Zoo. Manchmal hat das Zoopersonal dann wohl gedacht, `Nee, das geht nicht: Das Tier muss gesehen werden´ und nahm dem Tier die Versteckmöglichkeiten. Und das habe ich mal gesehen: Im Zoo in Barcelona gab es einen weißen Gorilla namens „Schneeflocke“; den wollte natürlich jeder sehen. Ich war, glaube ich, drei Mal im dortigen Zoo, das letzte Mal 1995, und jedes Mal ist der dortige weiße Menschenaffe ein Stück mehr abgekackt: Er warf Gegenstände an die Scheibe, drohte mit der Faust und gab anscheinend schließlich auf, zeigte den Zuschauern den Rücken und wartete auf das Sterben. Was dann auch 2003 geschah: Er starb an Hautkrebs. Kein schönes Leben. Kein schöner Tod.


Und neulich sah ich eine Dokumentation über Zoos an sich, so: Das war auch nicht schön. Was ich naiverweise nicht wusste: Zoos handeln profitorientiert, nicht im Sinne des Artenschutzes. Vielleicht mag jetzt der ein oder andere lachen wegen meiner Ahnungslosigkeit: Bitte; ich glaube, das ist erlaubt. Aber ich glaube inzwischen, dass es dem betroffenen Tier herzlich egal ist, ob es aufgrund der Arterhaltung oder zur reinen Belustigung gefangen gehalten wird; Knast ist Knast. Und auch die Erklärung, es handele sich doch um im Zoo gezüchtete Tiere, die nichts anderes kennen, zieht meines Erachtens nicht: Denn Knast ist immer noch Knast.


Ein Fakt ist mir in Erinnerung geblieben: ALLE Eisbären in deutschen Zoos wohnen auf einer Fläche, die so groß ist wie die Freifläche rund um die Freiheitstatue in Berlin. Alle Eisbären würden also auf einem Verkehrskreisel leben. Dafür, dass in der Natur ein einzelner Eisbär ein Revier zur Verfügung hat, das ca. 150 Quadratkilometer umfasst, ist solch eine Verkehrsinsel ziemlich wenig. Zumal auf dieser Verkehrsinsel noch all die anderen „deutschen“ Eisbären leben. Und da stehen Eisbären ja überhaupt nicht drauf: Artgenossen.

Mein Fazit lautet also: Nein, ich gehe in keinen Zoo mehr.

Und Du?