30.01.2012

Herr Puffreis macht blau

Mit groben Beleidigungen ist der gemeine Mensch gemeinhin schnell am Start: Doch wie sieht es mit qualitativ minderwertigen, fruchtlosen, also – nicht beleidigende Beleidigungen aus? Dies galt es herauszufinden. Und nach der Sichtung der eingegangenen Vorschläge komme ich nicht umhin, folgenden Leser zum Gewinner zu küren: Lorenzo Puffreis! Herr Puffreis schrieb mir also diese Zeilen:
Es war so in der Mitte der 80er-Jahre; ich war ein aufstrebender Tunichtgut und verbrachte meine Zeit mit dem Warten auf andere Tageszeiten und dem Tragen raschelnder Trainingsanzüge. Eines Tages jedoch ging ich aus dem Haus, da mein Vorrat faszinierender Lutschkugeln aufgebraucht war; das waren gefühlt golfballgroße Kügelchen, die jede Minute anders schmeckten und am Schluss, quasi als coole Belohnung, einen Kaugummi enthüllten. Zwischendurch konnte man diese lustigen Bälle aus dem Mund nehmen und „oh, grün“ oder „knorke, jetzt blau“ oder auch einfach nur: „gelb“  sagen, da sich die Farbe dieser Dinger andauernd änderte. Doch ich schweife ab. Ich ging also zum Lutschkugelhändler meines Vertrauens, musste jedoch warten, da ein anderer Kunde ausgiebig das kugelige Sortiment in Augenschein nahm – natürlich kam es zum Streit zwischen uns, der beinahe eskalierte, bis der unwirsche Herr eine forsche Beleidigung ausstieß, die mich bis heute völlig unberührt gelassen hat. Er sagte nämlich:
„Sie mit ihrem OHRRING!“, worauf er wutentbrannt davoneilte. Ratlos blieb ich zurück, fühlte mich seltsam leer, auf jeden Fall aber keinesfalls beleidigt, fand ich doch zu dieser Zeit das Tragen von peppigem Ohrschmuck durchaus modisch - jetzt aber nicht mehr, meine Frau sagte mir nämlich (Text von Benno K. gekürzt).

Hackepeter? Wohl kaum...

Auf jeden Fall ist dies mein Beitrag zur Feststellung der am wenigsten beleidigenden Beleidigung. Falls ich gewinnen sollte, würde ich im nächsten Beitrag gerne etwas über das bisher kaum erörterte Thema „Gestern, heute, morgen: Hackepeter im Wandel der Zeit“ lesen.
Es grüßt
Lorenzo Puffreis
P.S. Weiter so, Herr Ketten, sie machen das schon ganz gut. Wenn Sie jetzt auch noch ein wenig Talent zum Schreiben zeigen würden, wäre ich sogar beinahe zufrieden.
Wie bitte? Da gehe ich jetzt aber nicht drauf ein. Zumindest hat der Herr Puffreis in Bezug auf seine Nichtbeleidigung Recht: Weniger geht nicht, da konnten all die anderen Beiträge leider nicht punkten. Also:
Herzlichen Glückwunsch: Lorenzo Puffreis! Und vielen Dank auch all denen, die ebenfalls teilgenommen haben.
Und das nächste Mal dann: Hackepeter.
HURRA!

25.01.2012

Du nennst mich PENNER?

Gute Beleidigungen, gekonnt eingesetzt, haben beim Empfänger mitunter einen verheerenden Effekt: Wenn zum Beispiel ein Mensch mit einer großen Nase „Nase“ genannt wird, kann das zu Verdruss führen. Oder wenn in der Pornobranche der Eine zum Anderen „Ey Alter, dein Arbeitsgerät ist ja nur schnöde 25 cm lang“ sagt: Da hat der Therapeut die nächsten Wochen viel zu tun.

Sag das nochmal! 

Was ist aber mit Beleidigungen, die wenig oder überhaupt nicht verletzen, quasi schlechte Beleidigungen sind? Ein Beispiel:
In dem Basketballfilm „Weiße Jungs bringen´s nicht“ sehen wir eine Szene, in der zwei Teams gegeneinander spielen; da fallen natürlich eine Menge Sprüche, aber irgendwann passiert dies:
Basketballspieler 1 (1): Ey Mann, der hat was über Deine Mutter gesagt!
Basketballspieler 2 (2): Was? Über meine Mutter? Was hat der über meine Mutter gesagt?
1: Er hat gesagt: Deine Mutter ist ein Astronaut.
2: WAS?
Worauf dann ein großer Tumult entsteht, der nur mit reichlich „Lasst die Mütter aus dem Spiel“-Rufen wieder aufgelöst werden kann.
Ich finde diese Beleidigung ja total schlecht; eine überaus miese, gänzlich ineffektive  Beleidigung: Sie beleidigt mich überhaupt nicht, sie lässt mich völlig kalt. Überhaupt diese ganze Nummer mit den Mütterbeleidigungen: Was soll das? Das habe ich nie verstanden und ist eine relativ neue Beleidigungsform: Zu meiner Kindheitszeit in den 70er und 80er-Jahren gab es das jedenfalls noch nicht.
Aber was ist denn nun die am wenigsten beleidigende Beleidigung? Dies gilt es herauszufinden: Mittels eines Wettbewerbs! Jeder kann mitmachen: Bitte entweder die unten auffindbare Kommentarfunktion nutzen oder aber unter benno@nacht-portier.de eine Mail schreiben. Die Gewinnerin oder der Gewinner darf sich das Thema des nächsten Posts aussuchen! Schreibe also:
1.      Deine am wenigsten beleidigende Beleidigung
2.      Eine kurze Erklärung
3.      Deinen Namen; darf gerne falsch sein, also „Dr. Schock“ oder „Hella Ohrfett“ oder was weiß ich
4.      Deinen Postwunsch. Rassismus, konkrete, richtige, korrekt ausgeführte  Beleidigungen gegen reale Personen oder Gewalt in jeglicher Form kann leider nicht als Thema gewählt werden.
Am Montag, also am 30. Januar 2012, werde ich die am wenigsten beleidigende Beleidigung bekannt geben und am Donnerstag erfolgt der Post nach Wunsch. Rechtsweg? Ausgeschlossen.
Viel Glück!

23.01.2012

Scheiße am Hacken

Als ich neulich nach dem Genuss von Schweinebraten mit Rotkohl und Kartoffeln sowie drei Weizen zufrieden nach Hause schlenderte, trat ich in etwas Weiches, was sich bereits nach flüchtiger Prüfung als profane Scheiße herausstellte. Während ich den Tag verfluchte, an dem ich auf das Schild „Nur hier: Schuhe mit EXTRA viel Profil!“ reagierte, suchte ich eine passende Grünfläche, um mir die backige Masse vom Schuh zu schubbern: Was sich jedoch als gar nicht so einfach erwies – denn ich wohne mitten in der Stadt. Und dort gibt es, wie ich in diesem Augenblick feststellte, ziemlich wenig Rasen. Worauf ich mich in meinem geistigen Auge bereits sah, wie ich mir den stinkigen Kack mittels eines hölzernen Utensils aus dem Schuh popel – aber in dieser verschissenen Gegend gab es noch nicht einmal einen Stock.
Das sorgte für nicht wenig Verdruss. Während ich mich also zur nächstgelegenen Grünschubberfläche, die sich „Osterdeich“ nennt und circa zehn Minuten entfernt lag, aufmachte, versuchte ich meine rasende Wut in eine geordnete, gerechte Bahn zu lenken, die letzten Endes in der Frage mündete: Wer hat Schuld an meinem duften Dilemma?
Die spontanste Reaktion war da natürlich: Der Hund. Diese verkackte Kackdrecksarschtöle, so dachte ich, wird sich ihres Darminhaltes überdrüssig und lässt ihn einfach raus und liegen und ich latsche hinein. Und es ergaben sich Visionen von Lebendhundemützen, die in dieser ach so kalten Jahreszeit für dreißig Minuten Wärme sorgen würden; Hund bäuchlings öffnen und auf den spärlich behaarten Kopf fropfen, den Schädel also mitten hinein in den temperierten Körperglibber, siff.
Doch was kann der Hund dafür. Wie jedes andere Lebewesen, so ist auch der Hund ein Sklave seines Darms – der gemeine Darm: Er kennt nur „Ja“ oder „Nein“, weiß nur von „RausdamitJETZT!“ oder „Ich sagte doch: NEIN!“; der Darm, das heißt: Den einzig wahren Diktator trägt Mensch und Tier nicht im, sondern unterm Herzen.
Aber wo ein Hund, da auch ein Halter. Lässt oftmals liegen, was der Hund hinterließ. Ein um ein Haar berühmt gewordener Philosoph hätte vor über dreißig Jahren beinahe das berühmte Zitat „Ignoranz ist die Schwester der Dummheit“ ausgesprochen, wäre ihm nicht zwei Tage vorher eine kapitale Kehlkopfentzündung dazwischen gekommen, und an dieses Zitat musste ich jetzt denken – was jedoch ohne Folgen blieb. Stattdessen prüfte ich ernsthaft den Gedanken an eine Lebendhundehaltermütze, verwarf diesen Einfall aber als für zu kopflastig. „An grenzenloser Dummheit findet der Weise seine Grenzen“, das dachte sich dereinst auch der polnische Fabrikarbeiter Zlavomir E.  - honorige Kritiker stimmten später überein, dass es äußerst schade war, dass E. dies nur dachte: Hätte er diesen Satz ausgesprochen – eine steile Karriere wäre ihm gewiss gewesen.
Da also gegen Dummheit kein Kraut gewachsen ist, lohnt es sich, den Beruf des Stadtplaners mal genauer zu betrachten: Wo der Stadtplaner hinhaut, da wächst für den Gartenbauer kein Gras mehr. Und kein Gras bedeutet: Dann haste die Scheiße am Hacken.
Und als ich dann endlich am Osterdeich war, um meinem Schuh den Kot aus dem Profil zu schubbern, wusste ich die Antwort auf die Schuldfrage:
Schuld an der ganzen Kacke auf den Straßen haben dumme Stadtplaner mit Hund. Diese dämlichen Stadtplaner sind mit ihrem IQ von 65 nicht in der Lage, den Dreck ihres Köters zu entsorgen. Das, was da so auf unseren Straßen rumliegt, haben sämtlich Hunde von Stadtplanern dort platziert. Weil es Stadtplaner einfach nicht besser wissen: Sie belasten sich einfach nicht mit dem Gedanken, dass ihre Taten –oder Nichttaten- immer auch Folgen nach sich ziehen.
Und sind wir mal ehrlich –wie oft dachten wir schon angesichts diverser städtebaulicher Verbrechen, Hässlichkeiten und Todsünden:
Wie dumm muss man sein, um sich so etwas auszudenken?
Jetzt wissen wir es…

20.01.2012

Elite in der Grütze

Das Studentenleben bietet ja mancherlei Abwechslung: Hat man einerseits die grandiose Gelegenheit, das Fundament für sein künftiges Alkoholproblem zu mauern und abstruse Partyerlebnisse zu sammeln, mit denen man noch seinen Enkeln auf die Nerven fallen kann, besteht eben dieses Leben eventuell auch aus Erniedrigung durch die Institution Uni an sich oder aber durch Jobs, die man durch das Studium für das künftige Leben eigentlich vermeiden wollte. Hier zum Beispiel sehen wir ein sicherlich nicht mit Herzblut dargebotenes Beispiel, wie die künftige Elite des Landes zu Geld kommen muss:
Dieses schmackhafte Ensemble stellt ein norddeutsches Regionalgericht auf sechs Beinen dar – Grünkohl mit Kartoffel und einer Wurst, genauer gesagt einer Grützwurst namens „Pinkel“. Die Gesichter habe ich mal ein wenig verfremdet, schließlich vergisst das Netz nichts und ich glaube, Frau Kartoffel, Madame Grünkohl und Miss Pinkel möchten dieses Kapitel ihres Lebens irgendwann einmal nicht dauernd aufs Brot geschmiert bekommen.
Wenn also der gemeine Student nicht gerade mit einem goldenen Esswerkzeug im Zentrum der Rektalregion geboren wurde, muss er oder sie zum Mittel der Arbeit greifen, um leben zu können. Und solange er nicht nach unendlichen Mühen sein Blatt Papier mit der Aufschrift „Diplom“ oder „Bachelor“ oder so in den Händen hält, wird der Student als Arbeitskraft (oder gar als Mensch?) nicht für voll genommen. Das ändert sich schlagartig, wenn man plötzlich statt „Beruf: Student“ plötzlich „Beruf: Diplom-Blablabla“ in irgendwelche Formulare eintragen kann – man ist dann von jetzt auf gleich Vollmensch und wird manchmal sogar mit ein wenig Unterwürfigkeit konfrontiert.
Exkurs: Das Word-Programm beanstandet das Wort „Vollmensch“ nicht – was hat das zu bedeuten? Halbmensch. Viertelmensch. Auch nicht. Tse! „Tse“  auch nicht. Übrigens: Die Raumfahrt unterscheidet die Ausflüge ins All in „bemenscht“ und „unbemenscht“. Das wiederum bemängelt Word – dies jedoch nur am Rande bemerkt.
Ein Bekannter von mir zum Beispiel ist Fleischer und studiert gerade Lebensmitteltechnologie. Um überleben zu können, beseitigt er in einer Fleischerei den schmierigen Schnotter, den andere Fleischer im Laufe des Tages beim Rumwursten so hinterlassen. Der Herr Student macht das eventuell bis zum Tage seiner Prüfung; und dann stelle man sich vor: Er besteht erfolgreich die Prüfung, fängt sofort beim Gesundheitsamt an, sein erster Kontrollbesuch gilt eben jener Fleischerei und die lässt er dann dicht machen – wegen Hygienemängel. Abgefahrener Gedanke, was? Also, liebe Chefs:
Behandelt die Studenten gut, denn das Blatt kann sich gaaanz schnell wenden…

16.01.2012

Saufen im Oval

Ein grandioses „Na-toll-Erlebnis“ hatte ich, als ich feststellen musste, dass ich an diesem Wochenende Dienst hatte - das hieß also: 6-Tage-Rennen. In Bremen sind die neudeutsch auch „6-Days“ genannten tollen Tage auf eine Stufe mit dem Freimarkt, also der Bremer Kirmes (großartiges Wort), zu stellen – und das heißt ebenso für den emsigen Portier: Heftige Trunkenheit der vornehmlich männlichen Gäste.
6-Tage-Rennen – ja was hat es denn damit auf sich? Nun, da gibt es also Radrennfahrer, die auf einer ovalen Bahn Fahrrad fahren, immer rum und rum und rum und das dann aber nicht nur so aus reinem Schierschandudel, nein, da gibt es Regeln. Die versteht aber kaum einer. Es schaut aber auch kaum einer zu, denn die meisten Leute sind zum Party machen da. In den 90er-Jahren war ich das eine oder andere Mal mit Kumpels freikartenbestückt dort. Dann gossen wir uns ganz famos einen auf die Lampe, wie all die anderen Leute auch. Irgendwann plagte uns dann  das schlechte Gewissen (wie all den anderen Leuten auch), wir sagten „Wir müssen uns wenigstens ein paar Minuten die Radfahrer ansehen“ (wie all die anderen Leute auch), und das taten wir dann auch auf ein Bier (wie all die anderen Leute auch). Das ist nämlich ganz praktisch, denn im Inneren des Ovals wird nämlich ebenfalls gefeiert und getrunken, da treten Bands auf und die Lokalprominenz zeigt sich in ihren Logen. Durch unsere Anwesenheit senkten wir mit unserem Mittzwanzigertum  signifikant den Altersdurchschnitt, was nicht selten dazu führte, dass uns beschwipste, in der zweiten Lebenshälfte stehende Damen heftige Avancen machten; nun ja. Von den Männern wurden wir eigentlich in Ruhe gelassen, denn die wollten ja nur trinken. Meistens steckten diese Herren in Pullovern mit abenteuerlichen Mustern, die wahrscheinlich von ihren Frauen bei C&A gekauft wurden. Im Verlaufe des Abends wurde der eigentümliche Geruch aus Schweiß, Bier, Bratwurst und, ja, Halle, immer intensiver, was uns und all den anderen Menschen aber nicht mehr auffiel, denn wir und all die anderen Menschen waren alle, alle voll bis zum Kinn und manchmal auch darüber: Wäre die Stadthalle ein Gefäß und wir die Flüssigkeit gewesen, dann hätte man uns eine gesättigte Lösung nennen können. Und dann irgendwann nach zwanzig, fünfundzwanzig Bieren waberte man nach Hause und am nächsten Tag schämte man sich, dass man einem Sänger, der sich selbst zum König von Mallorca krönte oder einer Zweimanncombo, die von Pferden auf Fluren sang, zugejubelt hat.
Ich glaube, die Strafe für dieses doch recht zweifelhafte Verhalten ist, dass ich nun als Nachtportier eben diese Folgen des Alkoholkonsums ertragen muss. Diesmal in Form von vielen kleinen Herrengrüppchen und einer größeren Gruppe von Männern, die extra aus Dänemark anreisten und bereits am Nachmittag vollstramm aus dem Bus fielen. Ich wartete also ab, wann und wie die inzwischen zum Feiern abgezogene Gruppe wieder auftaucht. Die, die wieder den Weg ins Hotel finden, haben in der Regel ihre Schlüsselkarte oder aber den Besitzer der Schlüsselkarte ihres Dreibettzimmers verloren. Wenn ich ihnen dann neue Karten ausstelle, freuen sich die Männer und geben mir die Hand. Das ist eigentlich ziemlich häufig so: Besoffene Männer geben mir die Hand – nüchterne Männer dagegen nie: Das finde ich ziemlich ekelhaft, so dass ich mir im Verlaufe der Nacht 10-15-mal die Hände waschen muss - was die wohl angefasst haben?...
Irgendwann dann kommen zwei prächtige Vertreter der Gattung „menschliches Bierfass“ an die Rezeption: Der Mann, der noch einigermaßen sprechen kann, lallt: „Passauf äh, unser SSSimmer, da ssind schon Leute drin.“ Worauf ich wirklich sagen muss: „Es tut mir leid, aber das kann überhaupt nicht sein.“ Daraufhin der Wortführer leicht genervt, wissend und überheblich zu seinem Kumpel schaut und ihn fragt „Schtimmt doch, Kalli, da ssind doch Leute inn unserm Zimmer, die ham unss da doch noch rausgeschmissn!“, was Kalli heftig nickend quittiert. Da hilft dann alles nichts: Ich muss zu dem besagten Zimmer gehen, was mit zwei stockbesoffenen Männern auch rich-tig Spaß macht. Dort angekommen (was mich wunderte, da das mit der Treppe so eine Sache war), fordere ich Kalli auf, er möge mir doch bitte ihr Zimmer zeigen und an dieses klopfen: Was er auch tut – nichts passiert. Ich mache die Tür auf – natürlich ist es leer. Die zwei blauen Helden hatten sich im Zimmer geirrt. Das war klar. Genauso klar wie der Umstand, dass regelmäßig besoffene Männer an der Rezeption auftauchen und steif und fest behaupten, ihr Schloss oder ihre Zimmerkarte sei kaputt: Genau der gleiche genervte, wissende und überhebliche Blick, manchmal garniert mit der Frage „Wissu edwa behaubdn, ich kann keine Tür aufschließn oder was?“, worauf ich dann mitgehe und ihnen die Tür mit ihrer eigenen Zimmerkarte öffne (natürlich) - betretenes Schweigen, gemurmelte Entschuldigung.
Wieder an der Rezeption, es erscheint – ein Däne: „I want my key: Room 14“. Ich antworte ihm, dass wir überhaupt kein Zimmer 14 haben. Das beeindruckt ihn jedoch wenig, so dass er lauter als vorher sein Recht einfordert, den Schlüssel für Zimmer 14 zu erhalten. Wiederum antworte ich ihm mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Zimmers mit dieser Nummer. Auch, nachdem ich mühsam seinen Namen herausgefunden (wurde schon erwähnt, dass der Herr gefühlte 78 Promille intus hat?) und mit der Gästeliste verglichen habe, muss ich dem Herren mitteilen: „Mr. Andersson: You don´t have a room here.“ Herr Andersson sieht mich stumpf mehrere Sekunden an. Dann schaut er sich einige Zeit um und verkündet: „This  is not my hotel.“ Und dann wabert er davon.
Eine Stunde später steht er wieder an der Rezeption und erklärt: „Listen: This is not my hotel.“
Ach.
Irgendwann ruft der werte Herr dann seinen Kumpel an, der ihm den Namen seines Hotels nennt – welches sich überhaupt nicht mal ansatzweise in der Gegend befindet: Wie lange irrt dieser Mensch schon rum?

Die Polizei rät: Immer Fahrrad anschließen!

Das erinnert ich mich an eine Begebenheit, die schon ein paar Jahre zurückliegt: Da erhielt ich einen Anruf eines in der Nachbarschaft liegenden 5-Sterne-Hotels: Ob eine Frau Gonzola Schuh (Name geändert) bei uns wohnen würde. Das bejahte ich, worauf der Herr sagte, dass die Frau sich verlaufen hätte und ihr Hotel nicht mehr wiederfinden würde; sie würden die Dame also jetzt zu uns begleiten. Ein Hotelangestellter brachte die Frau dann wohlbehalten ans Ziel: Die arme Dame war vollkommen aufgelöst und verheult, weil sie so verzweifelt war. Und blau. Natürlich.
Blau war auch die Ursache des Anrufs, den ich vor einigen Jahren erhielt: Ein Rettungssanitäter rief vom 6-Tage-Rennen an und fragte, ob ein Herr Fabrizio Käseblech (Name schon wieder geändert) bei uns wohnen würde; das musste ich verneinen. Der Sanitäter war ratlos: Er hatte den Herrn Käseblech herrenlos herumliegend aufgefunden und wusste nicht, wo er ihn abliefern sollte – denn der Herr Käseblech konnte nur noch das Wort „Hotel“ sagen, aber nicht mehr den Namen der Herberge; nur noch - „Hotel“.
Hm.
Insgesamt kann man wirklich sagen: Wenn man solche Sachen erlebt, lebt man gesünder - so etwas versaut einem nämlich für längere Zeit die Lust auf Bier…

13.01.2012

Rund um den Schuh

Vor einiger Zeit begab es sich aber, dass in Berlin einige Hundert Menschen gegen einen Menschen protestierten, der in einem Schloss wohnt; und dieser Mann wohnt in den Augen der Demonstranten zu Unrecht dort, weil er bereits ein Haus besitzt, welches er sich vor einigen Jahren kaufte. Oder so.
Aber darum geht es jetzt gar nicht; vielmehr geht es um die Art des Protestes: Die Teilnehmer der Demonstration hielten nämlich Schuhe in die Luft, was in vielen Teilen der Welt als ein derbes Zeichen großer Verachtung gilt.
Ich erinnere mich gerade an eine Meldung in der Zeitung, die ich vor etlichen Jahren las: Da schaute sich ein Mann in Los Angeles oder San Francisco, na jedenfalls in den USA, eine künstlerische Darbietung einer Theatergruppe aus dem Orient oder aus dem asiatischen Raum an, so genau weiß ich das nicht mehr. Ganz genau weiß ich aber noch, dass der Mann –wohl aus Gründen der Behaglichkeit- seine Füße auf den Tisch legte; dies, genauer gesagt seine Schuhsohlen, sahen dann die ehrenhaften Schauspieler, die sich daraufhin so verletzt und beleidigt fühlten, dass einer der Akteure von der Bühne stieg und den Mann umbrachte.
Wir erinnern uns außerdem an die berühmte Pressekonferenz, in der George W. Bush von einem Journalisten mit einem Schuh beworfen wurde – mehr Verachtung geht nicht. Besagter Journalist erhielt sogar eine längere Gefängnisstrafe, weil man nicht mit einem Schuh auf einen Präsidenten werfen darf.
Dieser Trend, auch „shoeing“ genannt, schwappt also seit einiger Zeit auch zu uns. Einen nicht gerade kleinen Anteil an diesem Trend nimmt hierbei zweifelsohne der Film „Wag the dog“ ein, wo aus Gründen der Solidarität mit einem Soldaten namens „Shoe“ überall im Land Schuhe auf Laternenmasten und über Leitungen geworfen wurden. Und diese Art von Schuhplatzierung sehe ich immer häufiger auch bei uns; doch steckt auch hier eine Art von Protest dahinter? Oder will da jemand einfach nur seine alten Latschen loswerden?
Und da erinnere ich mich schon wieder an eine Geschichte: Vor Jahren einmal war ich in Barcelona, und wie jeder anständige Barcelonatourist besuchte auch ich DAS touristische Highlight der Stadt – das Schuhmuseum. Der Museumswärter war ein seeehr alter Mann, was ihn aber nicht davon abhielt, sich sehr über meinen Besuch zu freuen.  Er gab mir also zu verstehen, dass ich ihm folgen sollte, was ich auch tat. Am Ziel angekommen sagte er: „Dies ist der Schuh von Columbus!“ Und dieser Schuh war so groß wie ein kleines Boot. Er war nämlich der Größe der Statue angepasst worden, die in der Nähe des Hafens auf einer hohen Säule steht, und diese nach Amerika zeigende Statue war und ist riesengroß . Und natürlich war ich beeindruckt von diesem gigantischen Treter, also lobte ich den glücklichen, alten Mann und pries den Schuh in den höchsten Tönen.
Was ich damit sagen will (und das gilt vor allem für die Leser, die sich immer über die fehlende Pointe in meinen Texten aufregen): Wenn die Protestler irgendwann anfangen werden, mit den Schuhen von Columbus zu werfen, na dann:
Gute Nacht, Marie.
Oder George.
Oder Christian.
Oder…

09.01.2012

Im Schlaflabor

Ich schnarche. Sehr sogar. Und das schon, so lange ich denken kann. Das bringt natürlich einige Schwierigkeiten mit sich, für mich und vor allem für die werten Mitmenschen. Zu Jugendzeiten beispielsweise kam es vor, dass ich mit einer Jugendgruppe in einer Turnhalle nächtigen musste. Am nächsten Morgen war ich alleine in der Halle, während sich der Rest auf die Umkleideräume und Flure verteilte. In Zeltlagern habe ich alle Menschen im Umkreis von 50 Metern vom Schlafen abgehalten: Morgens dann hörte ich aus den Zelten „Ey Mann, was war DAS DENN heute Nacht?“ oder wenn mich jemand als Störenfried identifizierte „Alter: Geh zum Arzt. Du musst zum Arzt gehen!“
Was ich dann auch tat – über zwanzig Jahre später. Nachdem ich dann ein mobiles Schnarchmessgerät nächtens nutzen musste, sagte der Arzt „Oh“ und „Schlaflabor“, da neben der ganzen Schnarcherei auch noch diverse Atemaussetzer aufgezeichnet wurden – also: Schlaflabor.
Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit fuhr ich diesmal nicht mit dem Fahrrad, sondern mit der Straßenbahn: Denn das Schlaflabor liegt in einem Stadtteil von Bremen, der offenbar mehrheitlich sogenannte „sozial benachteiligte Mitbürger“ beherbergt: Gröpelingen. Ist das nicht diskriminierend? Dazu folgende Geschichte: Vor ein paar Jahren half ich einem Kollegen beim Umzug nach eben – Gröpelingen. Und wie es so war, fuhr ich natürlich mit dem Rad dorthin. Während ich mein Fahrrad so vor dem Haus abschloss, schauten mir die anderen Helfer, die bereits eingetroffen waren, interessiert zu, bis einer fragte: „Was machst Du da eigentlich?“, worauf ich antwortete „Ich schließe mein Fahrrad ab“; diese Antwort ließ allgemeine Heiterkeit aufkommen, bis mir jemand erklärte:  „Wenn Du das hier abschließt, werden innerhalb kürzester Zeit alle Teile an Deinem Fahrrad, die nicht angeschlossen sind, weg sein“: Hm. Also stellte ich es in den Keller, vorbei an den sämtlich zerbombten und aufgebrochenen Briefkästen, hinein in das Haus, das sechs Parteien beherbergen kann, jedoch nur drei Wohnwillige überzeugen konnte, dort zu wohnen. Ich weiß, es gibt natürlich auch gemäßigte Ecken in Gröpelingen, aber so zumindest war das mit dem Rad.
Jedenfalls fuhr ich mit der Straßenbahn. Kurz nach der Innenstadt stieg dann eine junge Familie zu: Vater, Mutter, so um die dreißig Jahre alt; zwei Kinder, nett, ein wenig aufgeregt, wie Kinder nun mal so sind. Nachdem die Mutter ein paar Minuten freundlich mit den Kindern plauderte, schaltete sich der Vater in das Gespräch ein: und der war vollkommen betrunken – eine reife Leistung für 19.00 Uhr. Na ja, der Rest der Unterhaltung war so, wie man sich das so denkt: Sinnfreier Käse. Auf die Frage der Kinder, ob der Papi noch mit nach Hause käme, antwortete der Papi „Nnein, dasss geht nich, ich muss ja gleich noch ahbeiten“: Tja. Eine Bitte an Väter und solche, die es werden wollen: Erspart euren Kindern den Anblick ihres besoffenen Vaters: Das ist rich-tig Scheiße.
Im Schlaflabor dann das, was man erwartet: Ein Bett. Ein Schrank. Kabel und Geräte. Eine Kamera. Eine Kamera? Richtig: Eine Kamera. Man wird nämlich während des Schlafens gefilmt: Das war schon komisch; komisch im Sinne von seltsam. Nun, der Patient wird dann  mit Geräten verbunden, verkabelt, verklebt, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Liegeposition (rechts-links-rücklings). Und so schlief ich dann. Irgendwann.
Und morgens wurde ich um 6.00 Uhr geweckt und abgekabelt. Ja, das war es schon. Recht unspektakulär. Ich duschte, genoss ein Frühstück, und da der Arzt noch ein bis zwei Stunden auf sich warten lassen wollte, dachte ich: `Da kaufe ich mir doch mal eine schöne Zeitung: Die Süddeutsche.´ In der Nähe des Labors gab es auch einen Kiosk, da ging ich also hin, beflügelt von dem Wunsch, eine Süddeutsche zu kaufen.
Doch die gab es mangels Nachfrage nicht. Und auch keine Zeit und auch keine FAZ und auch keine taz. Und den Spiegel gab es auch nicht und noch nicht mal den doofen Focus gab es; aber den hätte ich mir auch nicht gekauft, denn SO verzweifelt war ich nun doch nicht. Hingegen gab es BILD, die Morgenpost, das lokale Käseblatt und zwei türkische Zeitungen, was mir aber nicht half, denn ich kann kein türkisch. Und an Magazinen gab es nur Blätter für die mode- und klatschinteressierte Dame und Hefte für den busen- und popointeressierten Mann: Also gut, einmal das lokale Käseblatt, bitte und äh...das hier noch...ähem.
Kurz und gut: Der Arzt sagte dann, dass ich um ein spezielles Beatmungsgerät noch einmal herumkommen würde, jedoch in den Federn fortan zum Quasimodo werden müsste: Ein Tier im Bett und doch hässlich wie die Nacht äh; nein. Aber der werte Herr Arzt riet mir dann zu einem künstlichen Buckel, der ein Drehen auf den Rücken ein-für-al-le-mal verhindern soll, denn Atmung gäbe es für mich nur auf der Seite, aber nicht auf dem Rücken. Und diesen Tipp fand ich dann richtig gut, denn wenn ich ehrlich bin, atme ich ganz gerne.
Und dann fuhr ich nach Hause, beseelt vom emsigen Streben, Besitzer zu werden: Stolzer Besitzer eines eigenen
BUCKELS.
Kann das Leben NOCH schöner werden?

04.01.2012

Rocket Man

Unter allgemeinem Lärm und Getöse stoben diverse Raketen Richtung Himmel, wo sie zerplatzten und bunte Bilder in den dunklen Silvesterhimmel malten. Als jedoch die ersten Raketen eher waagerecht durch die Straße flogen, bequemte ich mich dann doch vor das Hotel, um die Ursache der Quertreiberei zu ergründen. Ungefähr zehn Meter von mir entfernt stand ein Mann, der nicht nur mit Bier, sondern vor allem mit vielen Raketen bestückt war, die er aus einer kleinen 0,3 Liter-Bierflasche heraus startete. Natürlich war diese gläserne Startrampe ein doch sehr wackeliges Konstrukt, so dass der nicht mehr ganz nüchterne Mann diverse Male korrigierend eingreifen musste, damit die Flasche samt Rakete nicht umfiel. Jedoch, wenn sie dann doch umfiel, war es dem Mann auch völlig scheiß-e-gal. Die Raketen flogen dann quer über die Straße und prallten an Häuserwände und Mobilklos, wo sie krachend explodierten.


Ich ging also zu diesem –von nahem betrachtet nicht angetrunkenen, sondern ganz  ordentlich besoffenen- Mann.
ICH (I): Guten Abend! Ich möchte sie nur kurz darüber in Kenntnis setzen, dass sie nur knapp drei Meter von einem Hotel entfernt ihre Raketen zünden!
ER (E): Das wweißich, denn ich wohn ja hier.
I: Das ist gut, dann muss ich ihnen ja nicht erzählen, dass ein Hotelbrand nicht so lustig ist.
E: Nee, nee, musst Du nicht, ich pass auf, alles im Griff.
I: Na, weil die Flasche da auch ab und an umkippt…
E: Nee, ich passauf!
Worauf ich mich wieder entfernte und den Mann weiter beobachtete. Der saß, sah und trank,  wenn er mal nicht Raketen abfeuerte. Schließlich entfernte er sich von seinem Raketen- und Bierfundus und kam zu mir rüber:

E: …und ich hadde gedacht, mal schön ruhig Silvester feiern und so in Bremen, aber hier sind ja alle waahnsinnig, das is ja schlimmer als im Ruhrgebiet, und ich dachte, da wärs schon schlimm, im Ruhrgebiet, aber hier…hier is ja Waaahnsinn!

Und wie er so weiter redete vom Ruhrgebiet und vom Wahnsinn an sich so, kam ein Pärchen vorbei, wobei es fünf Sekunden später das pyrotechnische Waffenarsenal passierte – und aus den Augenwinkeln sah ich SCHWUUPPS! dass der männliche Part blitzschnell alle Raketen an sich riss und ungerührt weiterging.
Der Gast bemerkte nichts und plapperte nichtsahnend weiter.
Und aus Gründen der Sicherheit sagte ich NICHTS.
Und als der Mann dann schließlich zu seinem Platz zurückwankte, bemerkte er nach ein paar Minuten das Fehlen seiner geliebten Raketen; und er reagierte völlig stoisch, lethargisch, stumpf – nämlich gar nicht.
Was mich in meinem Entschluss bekräftigte, nichts zu sagen:  Denn ich glaube, genauso phlegmatisch hätte er sich den von ihm verursachten Hotelbrand angesehen…