23.04.2012

Feierei mit Bier und Buch

Bier und Belletristik, das passt nicht zusammen: Wer einmal versucht hat, besoffen einen Roman zu lesen, weiß, wovon ich rede. Dennoch feiern wir heute gleich zwei freudige Anlässe: Den Welttag des Buches und den Tag des Deutschen Bieres!

Die zwei Gefeierten könnten aber auch unterschiedlicher nicht sein - hier das Buch: Erbauliche Literatur am knisternden Kaminfeuer, der geneigte Leser nippt ab und an an einer Tasse Tee (oder gar Rotwein? Aber in Maßen!) und sinniert mit dem besten Freunde über das eben Gelesene („Hemingway wird ja maß-los überbewertet“, „Das eindeutige Zeichen, welches auf den Verfall der Familie Buddenbrook hindeutet? Die Zähne, mein Lieber, die Zähne!“).

Dagegen betrachten wir das Bier: Die „Praline“ verschwimmt vor dem trunkgebeutelten Auge, nur die Betrachtung barbusiger Blondinen reizt noch zu Kommentaren („Ey Alder, digge Titten kannsu nie genuch haam“, „Weissu warrum ich weiß dass Deine Fammilie am Aasch is? Die Zähne, Alder, die Zähne!“)

Feiern wir also die Literatur! Geistvolle, geheimnisvolle Geschichten, verzwickte Abenteuer, romantische Romanzen, die Welt der Literatur, sie ist – wunderbar.

Aber wo bleibt da die Realität? Die Welt, so wie sie ist und wie sie sich da draußen darstellt?

Feiern wir also das Bier! Unkomplizierte, gesellige Fröhlichkeit, unvergessene Geschichten, denkwürdige Delirien, die Welt des Bieres, sie ist – wunderbar.

Vereinen wir also die zwei ungleichen Partner, lesen wir fortan nur noch von durstigen Männern mit Ledertaschen – in Großbuchstaben. Oder geheimnisvolle, geradezu kryptische Inschriften auf biergestählten Körpern. Oder wir vereinen aus Platzgründen das Angenehme mit dem Nützlichen und besorgen uns lediglich eine DVD mit einer Literaturverfilmung und trinken dabei das kühle Nass; denn was man abends sieht, hat man morgens sowieso wieder vergessen. Daher steht heute Abend „Die Blechtrommel“ auf dem Programm! Und morgen wieder

und wieder

und wieder

und wieder

und wieder

und wieder

und

20.04.2012

Die Last des Gewissens

Das eigene Gewissen sollte im Idealfall nicht an der heimischen Haustür enden, sondern eher das globale Ganze in Augenschein nehmen. Das ist natürlich häufig nur schwer zu realisieren – ein Beispiel: Ich mache mir also Gedanken um eine nachhaltige Ernährung – und da kommt übermäßiger Fleischkonsum schon mal nicht in Frage: Zu viel Einsatz von Wasser und  Antibiotika, den Tieren geht es in der Massentierhaltung schlecht, die Kühe pupsen zu viel Methan in die Luft und tragen wesentlich zum Treibhauseffekt bei usw, usf…Also: Weniger Fleisch. Und der beste Fleischersatz ist: Soja. Der Sojaanbau jedoch zerstört den Regenwald und durch die gewissenlose Sojamafia auch die heimischen Bauern, darüber hinaus ist Soja bevorzugtes Spekulationsobjekt für irgendwelche reichen Säcke, die noch nie im Leben für „ihr“ Geld richtig gearbeitet haben, ach: Was man auch macht, man macht es falsch. Daher wünsche ich mir manchmal, mein soziales Gewissen für ein paar Tage auszuschalten wie Data seinen Emotionschip, um dumpf frei zu sein – so wie dieser Autor, dessen Namen ich aus Scham nicht nennen will:


"Ich bin ja ein großer Freund der Brandrodung. Nicht, dass ich etwas gegen den Urwald an sich hätte: er ist nützlich, sieht gut aus und nennt sich nicht umsonst „grüne Lunge“. Aber manchmal muss auch eine grüne Lunge rauchen; denn:

Ich verachte Affen. AFFEN!; wenn ich nur dran denke, falle ich der Raserei anheim. Meines Wissens leben Affen (diese verfluchten Affen) auf Bäumen, vornehmlich im – Urwald. Und da sich diese perversen Primaten so schlecht fangen lassen und stattdessen auf Bäumen hocken und harmlosen Affenjägern auf den Kopf pinkeln oder mit kindskopfgroßen Kokosnüssen bewerfen oder die Endergebnisse ausgiebiger Gelage mit vergorenen Bananen auf den Kopf fallen lassen oder mit parasitären Stöcken stechen oder schlicht und ergreifend mit anderen, schwächeren Affen werfen, kann und darf einer umfassenden Brandrodung eigentlich nichts im Wege stehen.
Wir, die satten, die reichen, die verwöhnten Europäer, haben genügend Möglichkeiten, um Einfluss zu nehmen, um Veränderungen auf den Weg zu bringen. So auch hier: Ich kratzte also mein vorletztes Geld zusammen und kaufte mir bei einer Umweltschutzorganisation 2ha Regenwald: nicht viel, aber ein Anfang. Mein letztes Geld investierte ich in arbeitslose Campesinos, die gerne großzügig mit Feuer umzugehen wissen. Okay, manche wussten es nicht, im Endeffekt aber war das Ergebnis so oder so befriedigend, denn es entstand – eine Ebene. Eine bratbananenduftgeschwängerte Ebene.

Entgegen dem Trend bepflanze ich meinen Exurwald jedoch nicht mit Palmölpalmen, denn wer weiß, was sich die hinterlistigen Affen noch so alles einfallen lassen. Stattdessen hauen die Campesinos nun alles platt, was die Ebene hergibt: Getier, Gebäum, Backpacker.

Also, falls irgendjemand noch einen Affen hat oder weiß, wo ich welche finde: Bitte Bescheid sagen…"


18.04.2012

Besser wissen mit Herrn L.

Mein letzter Post handelte von einem Leserbrief, den ich an eine Zeitschrift schickte – und dieser Brief beinhaltete eine Klugscheißerei sondergleichen, nachzulesen – hier: http://nacht-portier.blogspot.de/2012/04/klugscheier-post.html . Ich beschwerte mich also, dass der erste Satz des Romans „Moby-Dick“ nicht „Nennt mich Ismael“, sondern „Nennt mich meinethalben Ismael“ lautet, ein Umstand, der den ganzen Sinn des Satzes und sogar des Romans verändern würde.

Nun meldete sich über facebook ein treuer Leser –nennen wir ihn der Einfachheit halber doch „Herr L.“- und setzte mich über folgenden Fakt in Kenntnis:

„Sehr geehrter Herr Ketten,

ich zitiere aus Ihrem Blog:

> Der korrekte Beginn des Romans lautet
> „Nennt mich meinethalben Ismael“; [...]

Dies lies mich stutzig werden, da Herman Melville meines Wissens seinen Roman auf Englisch publizieren ließ. Flugs griff ich zu meiner Moby-Dick-Ausgabe aus dem Penguin Books Verlag, um mich über den originalen Wortlaut des ersten Satzes zu vergewissern. Siehe da, der erste Satz lautet: "Call me Ishmael." Weitere Erläuterungen über künstlerische Freiheit beim Übersetzen, hieße Ihre Intelligenz zu unterschätzen, daher sehe ich davon ab.

Hochachtungsvoll, Ihr ergebener Klugscheißer
Herr L." (Name von B.K. eigenmächtig geändert)

Nun, wer ein echter Klugscheißer sein will, der überprüft natürlich umgehend die ungeheuerlichen Behauptungen – und siehe da: Herr L. hat Recht. Ich muss mich also in aller Form bei der Zeitschrift „Season“, bei der Autorin Angelika Klüssendorf, bei meinen Lesern und besonders bei Herrn L. für meinen Besserwisseranfängerfehler entschuldigen.
Der Herr L. hat aber auch alles richtig gemacht und keinen Angriffspunkt geliefert; ich versuchte es anfangs, ihn über den Namen „Ishmael“ zu kriegen, indem ich die originale Erstausgabe begutachtete, denn es hätte durchaus sein können, dass der Protagonist „Ishmail“ heißt – dem war aber nicht so. Dann dachte ich, dass der angegebene Verlag der Knackepunkt wäre, denn die Erstausgabe erschien nicht im „Penguin Books Verlag“, sondern im „Harper&Brothers-Verlag“; doch das hat Herr L. ja auch gar nicht behauptet: ärgerlich. Nun könnte man den Herrn L. zumindest  dahingehend lächerlich machen, indem man feststellt, dass der „Penguin Books Verlag“ gerne aufgrund seines günstigen Preises von Schulen genutzt wird, er also seine Englisch-Grundkursbuchausgabe zitierte; doch das war selbst mir zu billig, würde ich mich doch damit auf eine Stufe mit irgendwelchen verquasten öhöhöhö-Computernerds stellen. Somit steht also fest: Ich, Benno Ketten, bin ein blauäugiger, unbedarfter Klugscheißeranfänger, Herr L.: Gratulation! So wird wahrlich klug geschissen! Weiter so, solange es keinem wehtut! Ich jedoch bin ab sofort raus aus dem Klugscheißerbusiness – ich kann´s einfach nicht…

Im gleichen facebook-Atemzug übrigens hat eine werte Leserin –wir nennen sie hier einmal Frau V.- folgendes geschrieben:

„Der wirklich geniale erste Satz lautet doch:" Mein erster und einziger Besuch bei einem Therapeuten kostete mich mein rotes Korallenarmband und meinen Geliebten." Natürlich von Fr. H. & hier aus meinem nicht immer ganz zuverlässigen Gedächtnis (ich neige zu Umbauten, wie alle Menschen) zitiert. Irgendwas hinzuzufügen??

Ja. Die Autorin Judith Hermann schrieb in ihrer Kurzgeschichte „Rote Korallen“ aus dem Erzählband „Sommerhaus, später“ nicht den von ihnen aus dem Gedächtnis zitierten Erstsatz (das macht ein richtiger Klugscheißer auch nicht: aus dem Gedächtnis zitieren), sondern diesen:

„Mein erster und einziger Besuch bei einem Therapeuten kostete mich das rote Korallenarmband und meinen Geliebten.“

Irgendwas hinzuzufügen??

11.04.2012

Klugscheißer-Post

Niemand, aber auch wirklich niemand mag Klugscheißer. Ich auch nicht. Dennoch komme ich manchmal nicht drum herum, klug zu scheißen: Und das ist wahrlich abartig, affektiert und in höchstem Maße unsympathisch. Das dachte sich die Zeitschrift „Season“ wohl auch, die von mir folgenden Leserbrief erhielt und bis heute keine Antwort lieferte:
Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse las ich ihr Heft „Season“, Ausgabe März/April 2012, welches ich sehr informativ und abwechslungsreich fand. Zu einem Punkt möchte ich jedoch Bezug nehmen, einem scheinbar kleinem Detail, welches mir aber nicht unwichtig erscheint. So stellen Sie bzw. diverse Autoren auf Seite 216 mit der Überschrift „Der erste Satz“ bedeutende Romananfänge berühmter Werke vor. Frau Angelika Klüssendorf nannte in diesem Zusammenhang den ersten Satz des Romans „Moby Dick“, der in der Tat in der Literaturgeschichte einen hohen Stellenwert genießt. Doch leider liegt Frau Klüssendorf mit ihrer Meinung leicht daneben, wenn sie „Nennt mich Ismael“ zitiert, da sie das wichtigste Wort ausgelassen hat: Der korrekte Beginn des Romans lautet „Nennt mich meinethalben Ismael“; und dieser Umstand verändert den ganzen Sinn des Satzes und lässt Freiraum für vielfältige Interpretationen: Heißt der Protagonist etwa nicht Ismael? Ist die Geschichte erfunden oder wahr? Wer ist der eigentliche Hauptdarsteller des Berichts: Ismael? Ahab? Der Wal?

Mein Lieblingsanfangssatz der klassischen Literatur ist übrigens der Beginn von Kafkas Roman „Das Schloß“: „Es war spätabends, als K. ankam.“ Dieser Satz klingt nicht nur gut, sondern nimmt schon einen Teil der typisch kafkaesken Irrungen und Windungen der Geschichte vorweg.

Aber das nur am Rande.

Einen angenehmen Tag wünscht



Benno Ketten

Die mag auch keiner: Zecken.


04.04.2012

Ein Hase steht im Wort

Ostern naht und damit wieder die tolle Gelegenheit, den lieben Freunden und Verwandten einen gelungenen und von Herzen kommenden Ostergruß zukommen zu lassen – vielleicht mit einem geschmackvollen Bild? Ich glaube, dass sich das viele Menschen dieser Tage denken – wie kann es sonst angehen, dass meine Seite drei Mal mittels der Bildersuche „hase vorlage“ gefunden wurde? Auch der „keinohrhase“ und der „hase ohne ohren“ spielt anscheinend bei der Suche nach einem originellen Osterhallo eine Rolle; nun, wenn´s Spaß macht…

Alles im Blick.

Ich hoffe, dass nur diesen possierlichen Tierchen der folgende Suchbegriff Spaß macht: „hasen beim ficken“  ist ja durchaus ein erektiler Grund zur Freude, bei „hund fickt katze“ bin ich mir nicht sicher („alte Katzen schreien“ dabei vielleicht sogar); was dabei in diesem Zusammenhang aber der dreimalig verwendete Begriff „hilfestellung beim sex im alter“ für eine Rolle spielt, bleibt unklar, selbst wenn der geneigte Rechercheur mit „foto pidel“ seine Forschungen konkretisiert (PIDEL! Mannmannmann…). Wenig Grund zur Freude sind ja bekanntlich „hässliche männer fotos“; warum dann diverse Menschen mit diesem Begriff auf meine Seite finden, weiß ich nicht, oder soll ich fragen: Meinen die Leute zu wissen, wie ich aussehe?... Demnach kann auch ausgeschlossen werden, dass diese Personen „bitte ausziehen“ rufen oder schreiben.
Zwei Enten: Es gibt Schlimmeres...
Wir sehen also: Trotz mancher fragwürdig anmutenden Sucherei ist Ostern immer noch trotz der christlichen Historie ein Fest der Fruchtbarkeit: Das Ei als Symbol des Lebens, der Hase ebenso…aber, werte Leserschaft – warum dann DAS? Mit 18 Sucheingaben schlägt die folgende Begrifflichkeit alle anderen Bezeichnungen: Sind die Menschen vielleicht sogar gehässig und böse? Verneinen sie das Leben? Der Wunsch diverser Personen ist demnach ein „toter hase“; hm.
Es bleiben also wieder so einige Fragen offen, Fragen, die selbst ein schweinchenschlauer Nachtportier nicht beantworten kann. Doch eines weiß ich, und deswegen höre ich auch für heute auf – DAS muss man wirklich nicht jeden Tag lesen:

„geschichten dämlicher leute“