18.04.2012

Besser wissen mit Herrn L.

Mein letzter Post handelte von einem Leserbrief, den ich an eine Zeitschrift schickte – und dieser Brief beinhaltete eine Klugscheißerei sondergleichen, nachzulesen – hier: http://nacht-portier.blogspot.de/2012/04/klugscheier-post.html . Ich beschwerte mich also, dass der erste Satz des Romans „Moby-Dick“ nicht „Nennt mich Ismael“, sondern „Nennt mich meinethalben Ismael“ lautet, ein Umstand, der den ganzen Sinn des Satzes und sogar des Romans verändern würde.

Nun meldete sich über facebook ein treuer Leser –nennen wir ihn der Einfachheit halber doch „Herr L.“- und setzte mich über folgenden Fakt in Kenntnis:

„Sehr geehrter Herr Ketten,

ich zitiere aus Ihrem Blog:

> Der korrekte Beginn des Romans lautet
> „Nennt mich meinethalben Ismael“; [...]

Dies lies mich stutzig werden, da Herman Melville meines Wissens seinen Roman auf Englisch publizieren ließ. Flugs griff ich zu meiner Moby-Dick-Ausgabe aus dem Penguin Books Verlag, um mich über den originalen Wortlaut des ersten Satzes zu vergewissern. Siehe da, der erste Satz lautet: "Call me Ishmael." Weitere Erläuterungen über künstlerische Freiheit beim Übersetzen, hieße Ihre Intelligenz zu unterschätzen, daher sehe ich davon ab.

Hochachtungsvoll, Ihr ergebener Klugscheißer
Herr L." (Name von B.K. eigenmächtig geändert)

Nun, wer ein echter Klugscheißer sein will, der überprüft natürlich umgehend die ungeheuerlichen Behauptungen – und siehe da: Herr L. hat Recht. Ich muss mich also in aller Form bei der Zeitschrift „Season“, bei der Autorin Angelika Klüssendorf, bei meinen Lesern und besonders bei Herrn L. für meinen Besserwisseranfängerfehler entschuldigen.
Der Herr L. hat aber auch alles richtig gemacht und keinen Angriffspunkt geliefert; ich versuchte es anfangs, ihn über den Namen „Ishmael“ zu kriegen, indem ich die originale Erstausgabe begutachtete, denn es hätte durchaus sein können, dass der Protagonist „Ishmail“ heißt – dem war aber nicht so. Dann dachte ich, dass der angegebene Verlag der Knackepunkt wäre, denn die Erstausgabe erschien nicht im „Penguin Books Verlag“, sondern im „Harper&Brothers-Verlag“; doch das hat Herr L. ja auch gar nicht behauptet: ärgerlich. Nun könnte man den Herrn L. zumindest  dahingehend lächerlich machen, indem man feststellt, dass der „Penguin Books Verlag“ gerne aufgrund seines günstigen Preises von Schulen genutzt wird, er also seine Englisch-Grundkursbuchausgabe zitierte; doch das war selbst mir zu billig, würde ich mich doch damit auf eine Stufe mit irgendwelchen verquasten öhöhöhö-Computernerds stellen. Somit steht also fest: Ich, Benno Ketten, bin ein blauäugiger, unbedarfter Klugscheißeranfänger, Herr L.: Gratulation! So wird wahrlich klug geschissen! Weiter so, solange es keinem wehtut! Ich jedoch bin ab sofort raus aus dem Klugscheißerbusiness – ich kann´s einfach nicht…

Im gleichen facebook-Atemzug übrigens hat eine werte Leserin –wir nennen sie hier einmal Frau V.- folgendes geschrieben:

„Der wirklich geniale erste Satz lautet doch:" Mein erster und einziger Besuch bei einem Therapeuten kostete mich mein rotes Korallenarmband und meinen Geliebten." Natürlich von Fr. H. & hier aus meinem nicht immer ganz zuverlässigen Gedächtnis (ich neige zu Umbauten, wie alle Menschen) zitiert. Irgendwas hinzuzufügen??

Ja. Die Autorin Judith Hermann schrieb in ihrer Kurzgeschichte „Rote Korallen“ aus dem Erzählband „Sommerhaus, später“ nicht den von ihnen aus dem Gedächtnis zitierten Erstsatz (das macht ein richtiger Klugscheißer auch nicht: aus dem Gedächtnis zitieren), sondern diesen:

„Mein erster und einziger Besuch bei einem Therapeuten kostete mich das rote Korallenarmband und meinen Geliebten.“

Irgendwas hinzuzufügen??

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