28.02.2012

Infantile Weltherrschaft

Gewalt! Herrschsucht! Agonie! Die Welt, sie ist: Schlecht. Scheinbar hilflos müssen wir zusehen, wie unser Leben mehr und mehr verroht, vor lauter Untätigkeit wirken wir geradezu paralysiert und das Phlegma des Konsums erledigt den Rest. Was also ist zu tun? Sang nicht schon Herbert Grönemeyer davon, Kinder an die Macht zu lassen? Und steht nicht schon in der Bibel, dass wir wie die Kinder werden sollen? Das scheint die Lösung zu sein: Mit Kindern an der Spitze wird das Leben endlich wieder geruhsam und friedlich. Doch ist das wirklich so? Neulich zum Beispiel las ich, dass der Mensch niemals aggressiver sein wird als in der Altersstufe 2-4: Da werden wahllos Wecker und Stöcker auf süße Köpfchen gedroschen, kleine Patschehändchen krallen sich in arglos blaue Augen und verschmähtes Essen landet mit Urgebrüll an der nächsten Wand: Na, wenn da mal kein System dahintersteckt.

Wie; System? Doch, doch, ich weiß, wovon ich rede: Erst vor ein paar Tagen habe ich einen weiteren Beweis mit der Kamera festgehalten, und dieser Beweis zeigt eindeutig, dass die drohende Invasion dieser kleinen Tyrannen kurz bevorsteht – hier:

 Kinderwaffen! Das ist ja furchtbar! Wir haben nur noch wenig Zeit, bis Heerscharen latzbehoster Hosenscheißer mit Minikalaschnikows die letzten Refugien der Erwachsenenwelt erobern; und dann ist es AUS mit dem Rumhängen in schummerigen Bars, dann ist es vorbei mit dem geselligen Beisammensein in rauchgeschwängerter Runde. Dabei heißt es doch „Frieden schaffen OHNE Waffen“ – aber das mit den Wummen hat der Herbert bestimmt nicht gemeint…

Wir machen es diesen arglos wirkenden, doch überaus machthungrigen Babyspeckwürstchen jedoch auch allzu einfach: Von Profitgier getrieben, verhökern wir die perfiden Werkzeuge der Gewaltherrschaft freigiebig an jeden dahergelaufenen Fratz – oder wie kann ich mir DAS erklären? HÄ?

SO sehen sie aus, die scheinbar harmlosen Waffen des sabbernden Feindes! Mit dem Hammer auf wehrlose Spinatfütterer hauen! Mit dem Schwert die nörgelnde Oma stechen, die einen immer klatschnass auf die Backe knutscht! Eine Beule mit der Keule! Und ein Alien kommt zur Hilfe: Zu Hilfe!

Doch alles nützt am Ende nichts: Die Großen besiegt, die Kleinen beseelt. Der lütte Lukas klampft eine simple Melodei auf der Gitarre – ein Lied des Triumphes: Lirum. Larum. Ja, und auch – Löffelstiel. Und die süße Käthe schmiegt sich an ihr Kuscheltier – endlich Ruhe.

Friede.

Hatte Herbert am Ende doch Recht?

24.02.2012

Wie finde ich denn das?

Wer suchet, der findet, so heißt es im Allgemeinen, ja, und manchmal findet man sogar mich. Aber wie? Indem man bei Google beispielsweise „asiatisches haushuhn lebend“ oder auch „weinendes huhn“ eingibt. Zwar bin ich mir durchaus nicht im Klaren darüber, was mich mit einem heulenden Hühnchen verbindet, dennoch ist diese Assoziation allemal besser als „penner porno mutter“, „80er jahre porno darsteller männlich däne“ oder gar “was bedeutet es wenn männer jungs ihre hose runterz“: also wirklich…
Dann doch lieber was Schönes: „sand strand sonne meer“ zum Beispiel; dazu vielleicht ein exklusives Spiel?: „entschuldigung ist das ihr golfball?“, und wenn ja: „achtung fliegende bälle“. Tja, und wenn er verliert, dann steht er da, der „mann ohne hose“: Ist es dann vielleicht so, dass „männer unterwürfig“ um ein neues Spiel bitten?

Dann gibt es Leute, die finden auf meine Seite, weil sie „lustige schilder mit sprüchen“ suchen; ich schaue zwar immer etwas sparsam, wenn ich solch zweifelhaft erheiternde Schilder sehe, aber ich bin ja auch nicht der unbedingte Humormaßstab – daher:
Lustig genug? Tatsächlich suchte auch jemand ein „sitzpinkler schild“; hm. Persönlich angegriffen war ich, als man mich in Verbindung mit „gegen dummheit ist kein kraut gewachsen“ fand: Ist es wirklich SO schlimm? Sind „meine erlebnisse als nachtportier“ wirklich so dämlich, ist die Antwort auf „was verdient ein nachtportier“ demnach folgerichtig: Verachtung?

Nun, wenn es so übel um mich steht, mache ich erst einmal „surrealismus ferien“…

21.02.2012

Sex ohne Brille

Wenn der Abend sich dem Ende neigt und die Welt sich allmählich zur Ruhe bettet, steht dem erotikbewussten Herren (und zu einem kleinen Teil auch der Dame) des Öfteren der Sinn nach einem unterhaltsamen Film. Das Hotel Tahiti stellt für dieses ausgefallene Bedürfnis zwei Kanäle bereit, um auch in diesem Falle eine baldige Entspannung zu ermöglichen. Wenn also der Gast einen dieser Kanäle anwählt, tickert bei mir an der Rezeption ein Bon aus dem Ticker, der mir die Zimmernummer, die Dauer und den Preis verrät; hier also: 11,50 Euro für zwei Stunden.
Bei der anstehenden Bezahlung dann gibt es verschiedene Typen von Gästen: Da gibt es die Menschen, die einfach – bezahlen. Auf der Rechnung steht dann „Bezahlfernsehen“ oder (damals noch) „Premiere“ oder „Pay-TV“ oder völlig unverfänglich „Sonstiges“. Passender wäre es natürlich, wenn „Hardcore-Porno“ draufstehen würde. Oder „Fickfilm“. Oder „Film in Zweikanalton Pimperanto-Deutsch“. Wenn man also diese Gäste auf den Pay-TV-Posten hinweist, zahlen sie einfach.

Dann gibt es die Gäste, die, wenn sie mit einer Gruppe angereist sind, noch spätnachts an der Rezeption auftauchen und gleich nach dem Betrachten der anregenden Kopulierschmonzette bezahlen wollen – schließlich sollen das der Heinz, die Irmgard, der Willi und die anderen Kegler ja nicht mitbekommen, was man gerade Schlimmes getan hat. Lustig ist dann natürlich, wenn nacheinander mehrere Personen der gleichen Gruppe bei mir auftauchen, um zu bezahlen.

Eine andere Art von Menschen sind die Ahnungslosen: „Was? Ich? Also, ich kann mich jetzt nicht erinnern, äh, kann sein, dass ich da mal kurz reingzappt habe, aber nur für ein paar Sekunden…aber nee, wenn das da steht, zahle ich das natürlich.“ Dass auf der Quittung „dreizehn Minuten“ steht, übersieht der geneigte Gast dann mal so.

Und dann gibt es da noch die Totalverweigerer, die standhaft behaupten, NIE-MALS diesen Kanal gewählt zu haben. Irgendwann hatte ich einen irischen Gast vor mir, der seine Rechnung begleichen wollte. Als ich ihn noch auf den Pay-TV-Posten hinwies, brach er spontan erblassend in Schweiß aus und sagte „Das habe ich NIE gesehen; NIE. NIE-MALS habe ich das eingeschaltet!“ Als ich ihm die Quittung zeigen wollte, wurde er noch nervöser und verkündete: „Ich kann nicht lesen, ich habe meine Brille nicht dabei!“, worauf ich ihn erlöste und einen Computerfehler für sein Dilemma verantwortlich machte. Der arme Mann jedoch war vollkommen fertig.

Wenn also eine Leserin oder ein Leser mal in diese Situation geraten sollte: Einfach zahlen.
Alles andere wirkt wirklich peinlich.




16.02.2012

Das kann man essen?

Es gibt viele, viele Menschen, die wohnen nicht in Bremen. Manche sagen „Und das nicht ohne Grund, Herr Ketten!“, einige aber auch „Ja, sehr schade; stattdessen muss ich in Berlin wohnen, wo jeden Tag etwas Neues und Aufregendes passiert.“ Dabei hat Bremen so mancherlei zu bieten: Kurze Wege etwa. Oder ein allzu bekanntes Verhältnis zu Geld: Bremen ist ständig pleite, aber wenn doch mal Kohle reinkommt, wird sie für Blödsinn verbraten. Aber auch auf dem kulinarischen Sektor ist Bremen ganz vorne mit dabei. Und da ich ungefähr weiß, dass auch auswärtige Menschen, z.B. aus Österreich, diesen Blog verfolgen, möchte ich drei leckere Köstlichkeiten des Nordens vorstellen.
Reden wir also über Labskaus. Labskaus sieht für den Nichtnorddeutschen schlichtweg zum Kotzen aus. Dabei ist es wirklich schmackhaft; es besteht aus zerstampften Kartoffeln und Corned Beef, Salz und Pfeffer. Der geneigte Hamburger gibt noch Rote-Bete-Saft hinzu; nun, Geschmackssache, kann aber auf jeden Fall nicht schaden. Zum Labskaus wird dann noch Matjes, Spiegelei, Rote Bete und Gewürzgurke gereicht: Köstlich! Wer mal in Bremen landet, sollte sich unbedingt überwinden und in einem Restaurant diesen Pamp bestellen: Genuss ohne Reue!
Ebenfalls reuesparend ist dieses Gericht: Knipp. Ja, richtig gelesen: Knipp. Sieht auch fürchterlich aus, ist es aber nicht. Besteht überwiegend aus Schweinfleisch, Speck und Hafergrütze. Dazu kann man Bratkartoffeln, eine Gewürzgurke oder eine Scheibe Brot reichen – muss man aber nicht. 
Ein Freund von mir lässt jedes Jahr eine Art Knippparty steigen: Am 23.12., also einen Tag vor Heiligabend, kommen diverse Freunde vorbei; dann wird ein gigantischer Haufen Knipp gebraten und dem Motto des Abends gefrönt: `Wir warten aufs Knippkind´. Und während man dann aufs Knippkind wartet, wird gegessen und regionales Bier getrunken – so lange, bis das Knippkind vorbeikommt: GONG!
Außerhäusig isst der gemeine Bremer eher konservativ: Hoch im Kurs steht nach wie vor die gute, alte Bratwurst. Sie wird traditionell in der Altstadt verzehrt, kommt wahlweise mit oder ohne Darm daher und wird zusammen mit einem pappigen Brötchen gereicht. Natürlich hat die schnöde Bratwurst in Zeiten von McDonald´s, Döner & Co einen schweren Stand, aber dafür ist der fleischige Bratling mit 2,50 Euro auch richtig teuer – das gleicht es ja wieder aus.
Überhaupt isst der Bremer anscheinend gerne weich: Kartoffelschnotter, Grützfleischkrümelpamp, Ohnedarmwurst mit Pappbackling. Wie es aussieht, kaut das eigentümliche Völkchen an der Weser nicht gern:
Der Bremer: Ein Mensch ohne Biss?
Das will ich nicht gehört haben!

13.02.2012

Bronchitis wird durch Rauch erst schön!

Rauchen. Ja, richtig gelesen, jetzt geht es ums – Rauchen. Der Raucher hat es in diesen Tagen noch schwerer als sonst auch schon: Bei klirrender Kälte zittert sich die frostige Hand mit der Kippe in Richtung Mund, hastig zieht man am Glimmstängel, und wenn man dann wieder ins Warme gelangt, rümpft die Kollegenschar angewidert die Nase. Das ist fürwahr schlimm: Denn Raucher sind eigentlich ganz arme Schweine.
Vor einiger Zeit las ich eine Äußerung eines Mediziners, der Raucher als kranke Menschen eingestuft hat: Da der gemeine Raucher nun mal abhängig sei vom Tabak und seinen Inhaltsstoffen, demnach also von einer Sucht befallen, sind Raucher in eine Reihe mit anderen Suchtkranken wie Alkoholikern, Spielern und Heroinabhängigen zu stellen. `Oha´, dachte ich, denn damals rauchte ich auch noch.
Heute denke ich jedoch ähnlich. Denn machen wir uns doch nichts vor: Wer verlässt denn schon freiwillig die warme Kneipe und stellt sich bei Minusgraden auf die Straße? Das hat doch mit dem gesunden Menschenverstand nichts mehr zu tun. Und auch das kennt der gemeine Qualmer: Da kann man noch so krank sein, geschlagen mit Fieber, Grippe, Bronchitis oder gar Lungenentzündung: Das kratzt die Fluppe überhaupt nicht – sie will geraucht werden. Und sie wird auch geraucht, egal, wie weh das tut und wie schlecht es einem währenddessen und danach geht. Auch da hat der Verstand Pause: Denn Sucht und Verstand – das passt nicht zusammen.
Als ich nach zwanzig Jahren meine Raucherkarriere beendete, ging es mir wirklich dreckig: Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Körper einmal komplett auf links dreht; so wie ein Computer, der erst einmal runterfahren muss, um dann neu zu starten. Begleitet von massiven Entzugserscheinungen, Schmerzen, Schweißausbrüchen, Sehstörungen, Schlaflosigkeit etc. bin ich dann nach drei Wochen zu meiner damaligen Mitbewohnerin gegangen und habe sie gebeten, meinen restlichen Tabak irgendwo wegzuwerfen; denn ich wäre sonst imstande gewesen, das Kraut zwischen all dem stinkenden Schnotter aus dem Müll zu fischen.
Und noch heute, über fünf Jahre später, habe ich ein paar Mal in der Woche das Verlangen zu rauchen. Mir also draußen bei Minusgraden gehörig den Arsch abzufrieren. Ergo: Das Verlangen, alle zwei Jahre zu renovieren. Meinen Zähnen das angedeihen zu lassen, was meine Haut im Sommer partout nicht schaffen will – nämlich braun zu werden. Der Wunsch, in stigmatisierenden, gelben Quadraten zu stehen. Oder in gläsernen Käfigen. Bei Radtouren nach Anstiegen beinahe zu kotzen: Das ist eine kranke Vorstellung.
Demnach sind Raucher kranke Menschen. Aber was das jetzt heißt, wie nun die Heilung aussehen soll und welche Rolle die Tabakindustrie dabei spielt - das kann sich ja mal der geneigte Leser selbst überlegen.
Das Schlimme ist jetzt aber: Ich hätte gerade größte Lust, eine zu rauchen…

09.02.2012

Warme Gedanken

Wie schon im letzten Jahr, so ist auch in diesem Jahr ein überraschendes Phänomen zu beobachten: Draußen ist es kalt. Es ist – Winter. Wie in jedem, aber auch wirklich jedem Jahr gibt es Sondersendungen und Ohgottmeldungen im Fernsehen und in den Zeitungen, die alle aussagen: Es ist kalt. Im Sommer wird es dagegen die alljährliche Feststellung geben: Es ist heiß. Es ist – Sommer. Jetzt aber ist es gerade – kalt. Und damit uns die Zeit nicht allzu lang wird, bis es wieder heiß ist, machen wir uns jetzt ein paar warme Gedanken – denken wir also an ein perlendes Bier in der Sonne:

Mmmh: Das schmeckt! Der Durst ist gestillt, wir schauen zufrieden in die vor Hitze flimmernde Ferne:

Wie beruhigend. Und überhaupt: Laub an den Bäumen! Das kennen wir ja schon fast gar nicht mehr:

Und alles so schön grün! Jetzt auf dem Deich liegen und sich besonnen lassen:

Oder es lieber sein lassen, weil es ZU heiß ist. So wie hier zu sehen; da waren es 33 Grad: Brüt!

Schnell eine Abkühlung – da, gleich hinter der Düne:

So; fast da:

Hose aus und – rein ins Wasser!

Und danach entspannen mit einem fesselnden Krimi…

Wir sehen also: Auch dieser Winter wird ein Ende nehmen, es wird auch wieder wärmer. Das bleibt dann ein paar Monate so und dann wird es wieder kälter. Und dann wieder wärmer. Das hat was mit der Jahreszeit zu tun. Um diese Zeit zum Beispiel ist es in unseren Breitengraden IMMER kalt. Diese Erkenntnis trifft uns nicht gänzlich unvorbereitet. Lehnen wir uns also zurück und warten auf wärmere Zeiten. Vielleicht mit einem Getränk: Ein Bier gefällig?



06.02.2012

Behüteter Wahnsinn

Wenn abends um 23 Uhr gepäcklose ältere Männer mit Sonnenstrohhüten auf dem Kopf die Lobby betreten, dann weiß der ruhebedürftige Nachtportier: Jetzt kommt´s knüppeldick. Um ca. 23 Uhr kam demnach ein Mann ohne Gepäck, dafür aber mit ungefähr 70 Jahren auf dem Buckel und einem Sonnenstrohhut auf dem Kopf forschen Schrittes zur Rezeption: „Arbeitet Herr Kaleschke heute nicht?“, fragte er. Das musste ich verneinen: „Herr Kaleschke hat heute frei.“
Das sei schade, bedauerte dies der ältere Herr, denn Herr Kaleschke „besitzt nämlich eine Eigenschaft, die allzu vielen Menschen heutzutage fehlt: Er kann nämlich zuhören.“ Das freute mich natürlich, vor allem für Herrn Kaleschke, aber auch für den alten Mann. Dieser freute sich jedoch nicht, er betonte noch einmal „Die Menschen hören nicht mehr zu“, während er sich über den Tresen beugte und mich starr fixierte: „Können SIE zuhören?“ Das konnte ich durchaus bejahen, also sagte ich: „Ja.“ Worauf der Mann „Gut, dann hören Sie zu“ sagte, sich umsah und mir dann etwas anvertraute: „Es ist nämlich so: Thomas Gottschalk und Günter Jauch, die kennen Sie doch oder sagen Sie nichts unterbrechen sie mich nicht ZUHÖREN!!!“ schrie er inzwischen etwas schrill durch die Lobby, zeigte mit dem Zeigefinger auf mich und betonte noch einmal „Die Menschen hören nicht mehr zu: Sie müssen zuhören! Also: Thomas Gottschalk und Günter Jauch, das weiß KEINER, die wohnen vor den Toren Bremens und planen die WELTVERSCHWÖRUNG. Verstehen Sie!? Die Gottschalks und Jauchs dieser Welt werden unser Untergang sein!!!“ Da war ich doch beeindruckt: Nicht so sehr von der Weltverschwörung, vielmehr jedoch von dem Ausmaß des Wahns, von dem völligen Ausfall, der den armen Mann befallen hat. Dann dachte ich an Herrn Kaleschke: Muss der das regelmäßig ertragen?
Dann breitete der hirnturbulente Herr die Arme aus und fragte: „Kennen Sie DEN?“ Und da ich nicht wusste, ob ich etwas sagen darf, schüttelte ich nur den Kopf. Offensichtlich erzürnte ihn dies, so dass er „Was? Sie kennen den Erlöser nicht?“ polterte und noch näher kam. Den kannte ich natürlich, war mir jedoch nicht sicher, ob Jesus Sonnenstrohhüte zu tragen pflegte – das behielt ich jedoch für mich, kam mir doch ein etwas beunruhigender Gedanke: Wenn der Typ nicht nur wahnsinnig, sondern auch noch in einer säuerlichen Religionssuppe gargekocht wurde – wer weiß, welche Überraschung er noch so in petto hat: Ein Messer? Eine Pistole? Und wie wird man solch einen Irren wieder los? Und dann kam ich auf die denkbar einfachste Lösung; da religiöse Menschen in irgendeiner Form auch Ordnung schätzen, sagte ich einfach in einer „Gesprächs“pause:
„Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wieder arbeiten.“ Und der Mann sagte „Oh; ja, dann will ich Sie nicht länger von der Arbeit abhalten“ und ging.
Tatsächlich.
So; habt ihr das jetzt aufmerksam gelesen? Es ist nämlich so: 
Die Menschen lesen nicht mehr aufmerksam... 

02.02.2012

Fördernde Wirkungen eines kruden Batzen Metts

Über kaum einen Brotaufstrich  wurden in letzter Zeit so kontroverse Diskussionen geführt wie über Hackepeter: Während das Pro-Lager die delikate Komponente hervorhebt, ereifert sich die Kontra-Fraktion über die sprichwörtliche Rohheit dieses Metts. Ich kann an dieser Stelle die verhärteten Fronten nicht aufweichen – zu unversöhnlich stehen sich beide Parteien gegenüber. Betrachten wir doch lieber den fleischigen Gegenstand dieses Disputs:

Hackbatzen

So hat Hackepeter in unserer Kultur schon immer einen gewissen Stellenwert gehabt: Während der gemeine Mensch aus Hannover wahrscheinlich korrekt „Hackepeter“ sagen würde, spricht der Bremer schon von „Haggepedoh“ und der Hamburger vielleicht gar von „Hoggepejdäh“. Nichtsdestotrotz vermittelt dieser Brotaufstrich – sind wir mal ehrlich: muss es nicht eher Brotaufdrück heißen? – ein wärmendes Gefühl von Heimat, von Gemütlichkeit, ja, von – Geborgenheit. Und als quasi Quintessenz dieses heimatlichen Empfindens ist hier vor allem eine Errungenschaft des erdschollenverbundenen Menschen zu nennen: Der Hackigel. Lange Zeit war der Hackigel auf jeder Feierlichkeit zu finden; jeder Gastgeber, der etwas auf sich hielt, landauf, landab, bot solch ein durchwolftes Tierchen an. Gerne griffen die entzückten Gäste zu; dann wurden zarte Gefühle wach, langvergessene Erinnerungen tauchten plötzlich vor dem geistigen Auge auf: Der erste Kuss. Das Picknick mit dem smarten Heiner vom Nachbarhaus. Das neue Rhönrad. Ach, schön wars!

Hackigel

Heute jedoch hat der Hackigel einen schweren Stand: Kaum noch ist er auf Partys zu finden, und wenn doch, wird er geschmäht: Ein wertvolles Kulturgut droht verloren zu gehen, der Hackigel: Ein Relikt der Vergangenheit.
Stattdessen droht diese kulturelle Schmackhaftigkeit in die Trivialität abzurutschen, ja, sie dient bisweilen sogar zur Befriedigung primitiver Triebe oder zur niveaulosen Belustigung der tumben Massen. So erinnere ich mich an eine lang zurückliegende Begebenheit, die sich einst zutrug: Ich, ein hoffnungsvoller Jungspund, alberte fröhlich mit Egbert, dem forschen Nachbarsjungen herum, bis Peter, der einfältige Dorflümmel, um die Ecke kam. Wir waren wohl zu Scherzen aufgelegt und riefen „Peter! Peter! Komm doch mal her!“, worauf der ahnungslose Peter zu uns kam und der Egbert forsch rief „Du, gestern war ich wieder voll hacke, Peter!“ Da haben wir sehr gelacht, nur der Peter, der nicht.

Hackpidel

Doch die Renaissance des erlabenden Metts steht kurz bevor; nicht mehr lange, dannEy Alter; ALTER! Was soll das denn: Hackpidel. Sach mal bist Du blöd im Kopf oder was? Überhaupt: Pidel – ey ich glaub das nicht! Ja, wieso, was ist denn damit? Was damit ist, fragt er! Was damit ist! Macht hier einen auf Elke Heidenreich, Buchvorstellung und so und „HUUU, seht doch wie intelligent und belesen ich bin uuuh“ und schreibt dann PIDEL; ey Alter wie alt bist Du eigentlich? 10? Nee, wieso jetzt, wer bist Du eigentlich wer ich bin fragt er Mann ich bin Dein letzter Leser du Schwachkopf wenn du so weitermachst! Pidel! Ich glaub das nich son vorpubertärer Kack…
Äh…tschuldigung. Wie hat der das denn geschafft, hier was reinzuschreiben? Könnt ihr das auch? Tse…

Hackfresse

Nun denn; die bestimmende Thematik dieses Beitrags lautet, wie es die interessierte  Leserschaft bereits bemerkt haben dürfte, „Gestern, heute, morgen: Hackepeter im Wandel der Zeit“. Gestern und heute haben wir behandelt; doch was ist mit der Zukunft? Ist sie so rosig wie frisches Hack? Einschlägige Prognosen namhafter Wissenschaftler wären eindeutig: Jein. Erquickend für Leib und Seele ist Hackepeter jedoch auf jeden Fall; für diese Einschätzung braucht der geneigte Fleischfreund keinen Wissenschaftler. Daher abschließend:
Kauft euch mal wieder einen Batzen Hack und esst ihn auf einem leckeren Vollkornbrötchen: Dann geht’s euch gleich viel besser.