16.01.2012

Saufen im Oval

Ein grandioses „Na-toll-Erlebnis“ hatte ich, als ich feststellen musste, dass ich an diesem Wochenende Dienst hatte - das hieß also: 6-Tage-Rennen. In Bremen sind die neudeutsch auch „6-Days“ genannten tollen Tage auf eine Stufe mit dem Freimarkt, also der Bremer Kirmes (großartiges Wort), zu stellen – und das heißt ebenso für den emsigen Portier: Heftige Trunkenheit der vornehmlich männlichen Gäste.
6-Tage-Rennen – ja was hat es denn damit auf sich? Nun, da gibt es also Radrennfahrer, die auf einer ovalen Bahn Fahrrad fahren, immer rum und rum und rum und das dann aber nicht nur so aus reinem Schierschandudel, nein, da gibt es Regeln. Die versteht aber kaum einer. Es schaut aber auch kaum einer zu, denn die meisten Leute sind zum Party machen da. In den 90er-Jahren war ich das eine oder andere Mal mit Kumpels freikartenbestückt dort. Dann gossen wir uns ganz famos einen auf die Lampe, wie all die anderen Leute auch. Irgendwann plagte uns dann  das schlechte Gewissen (wie all den anderen Leuten auch), wir sagten „Wir müssen uns wenigstens ein paar Minuten die Radfahrer ansehen“ (wie all die anderen Leute auch), und das taten wir dann auch auf ein Bier (wie all die anderen Leute auch). Das ist nämlich ganz praktisch, denn im Inneren des Ovals wird nämlich ebenfalls gefeiert und getrunken, da treten Bands auf und die Lokalprominenz zeigt sich in ihren Logen. Durch unsere Anwesenheit senkten wir mit unserem Mittzwanzigertum  signifikant den Altersdurchschnitt, was nicht selten dazu führte, dass uns beschwipste, in der zweiten Lebenshälfte stehende Damen heftige Avancen machten; nun ja. Von den Männern wurden wir eigentlich in Ruhe gelassen, denn die wollten ja nur trinken. Meistens steckten diese Herren in Pullovern mit abenteuerlichen Mustern, die wahrscheinlich von ihren Frauen bei C&A gekauft wurden. Im Verlaufe des Abends wurde der eigentümliche Geruch aus Schweiß, Bier, Bratwurst und, ja, Halle, immer intensiver, was uns und all den anderen Menschen aber nicht mehr auffiel, denn wir und all die anderen Menschen waren alle, alle voll bis zum Kinn und manchmal auch darüber: Wäre die Stadthalle ein Gefäß und wir die Flüssigkeit gewesen, dann hätte man uns eine gesättigte Lösung nennen können. Und dann irgendwann nach zwanzig, fünfundzwanzig Bieren waberte man nach Hause und am nächsten Tag schämte man sich, dass man einem Sänger, der sich selbst zum König von Mallorca krönte oder einer Zweimanncombo, die von Pferden auf Fluren sang, zugejubelt hat.
Ich glaube, die Strafe für dieses doch recht zweifelhafte Verhalten ist, dass ich nun als Nachtportier eben diese Folgen des Alkoholkonsums ertragen muss. Diesmal in Form von vielen kleinen Herrengrüppchen und einer größeren Gruppe von Männern, die extra aus Dänemark anreisten und bereits am Nachmittag vollstramm aus dem Bus fielen. Ich wartete also ab, wann und wie die inzwischen zum Feiern abgezogene Gruppe wieder auftaucht. Die, die wieder den Weg ins Hotel finden, haben in der Regel ihre Schlüsselkarte oder aber den Besitzer der Schlüsselkarte ihres Dreibettzimmers verloren. Wenn ich ihnen dann neue Karten ausstelle, freuen sich die Männer und geben mir die Hand. Das ist eigentlich ziemlich häufig so: Besoffene Männer geben mir die Hand – nüchterne Männer dagegen nie: Das finde ich ziemlich ekelhaft, so dass ich mir im Verlaufe der Nacht 10-15-mal die Hände waschen muss - was die wohl angefasst haben?...
Irgendwann dann kommen zwei prächtige Vertreter der Gattung „menschliches Bierfass“ an die Rezeption: Der Mann, der noch einigermaßen sprechen kann, lallt: „Passauf äh, unser SSSimmer, da ssind schon Leute drin.“ Worauf ich wirklich sagen muss: „Es tut mir leid, aber das kann überhaupt nicht sein.“ Daraufhin der Wortführer leicht genervt, wissend und überheblich zu seinem Kumpel schaut und ihn fragt „Schtimmt doch, Kalli, da ssind doch Leute inn unserm Zimmer, die ham unss da doch noch rausgeschmissn!“, was Kalli heftig nickend quittiert. Da hilft dann alles nichts: Ich muss zu dem besagten Zimmer gehen, was mit zwei stockbesoffenen Männern auch rich-tig Spaß macht. Dort angekommen (was mich wunderte, da das mit der Treppe so eine Sache war), fordere ich Kalli auf, er möge mir doch bitte ihr Zimmer zeigen und an dieses klopfen: Was er auch tut – nichts passiert. Ich mache die Tür auf – natürlich ist es leer. Die zwei blauen Helden hatten sich im Zimmer geirrt. Das war klar. Genauso klar wie der Umstand, dass regelmäßig besoffene Männer an der Rezeption auftauchen und steif und fest behaupten, ihr Schloss oder ihre Zimmerkarte sei kaputt: Genau der gleiche genervte, wissende und überhebliche Blick, manchmal garniert mit der Frage „Wissu edwa behaubdn, ich kann keine Tür aufschließn oder was?“, worauf ich dann mitgehe und ihnen die Tür mit ihrer eigenen Zimmerkarte öffne (natürlich) - betretenes Schweigen, gemurmelte Entschuldigung.
Wieder an der Rezeption, es erscheint – ein Däne: „I want my key: Room 14“. Ich antworte ihm, dass wir überhaupt kein Zimmer 14 haben. Das beeindruckt ihn jedoch wenig, so dass er lauter als vorher sein Recht einfordert, den Schlüssel für Zimmer 14 zu erhalten. Wiederum antworte ich ihm mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Zimmers mit dieser Nummer. Auch, nachdem ich mühsam seinen Namen herausgefunden (wurde schon erwähnt, dass der Herr gefühlte 78 Promille intus hat?) und mit der Gästeliste verglichen habe, muss ich dem Herren mitteilen: „Mr. Andersson: You don´t have a room here.“ Herr Andersson sieht mich stumpf mehrere Sekunden an. Dann schaut er sich einige Zeit um und verkündet: „This  is not my hotel.“ Und dann wabert er davon.
Eine Stunde später steht er wieder an der Rezeption und erklärt: „Listen: This is not my hotel.“
Ach.
Irgendwann ruft der werte Herr dann seinen Kumpel an, der ihm den Namen seines Hotels nennt – welches sich überhaupt nicht mal ansatzweise in der Gegend befindet: Wie lange irrt dieser Mensch schon rum?

Die Polizei rät: Immer Fahrrad anschließen!

Das erinnert ich mich an eine Begebenheit, die schon ein paar Jahre zurückliegt: Da erhielt ich einen Anruf eines in der Nachbarschaft liegenden 5-Sterne-Hotels: Ob eine Frau Gonzola Schuh (Name geändert) bei uns wohnen würde. Das bejahte ich, worauf der Herr sagte, dass die Frau sich verlaufen hätte und ihr Hotel nicht mehr wiederfinden würde; sie würden die Dame also jetzt zu uns begleiten. Ein Hotelangestellter brachte die Frau dann wohlbehalten ans Ziel: Die arme Dame war vollkommen aufgelöst und verheult, weil sie so verzweifelt war. Und blau. Natürlich.
Blau war auch die Ursache des Anrufs, den ich vor einigen Jahren erhielt: Ein Rettungssanitäter rief vom 6-Tage-Rennen an und fragte, ob ein Herr Fabrizio Käseblech (Name schon wieder geändert) bei uns wohnen würde; das musste ich verneinen. Der Sanitäter war ratlos: Er hatte den Herrn Käseblech herrenlos herumliegend aufgefunden und wusste nicht, wo er ihn abliefern sollte – denn der Herr Käseblech konnte nur noch das Wort „Hotel“ sagen, aber nicht mehr den Namen der Herberge; nur noch - „Hotel“.
Hm.
Insgesamt kann man wirklich sagen: Wenn man solche Sachen erlebt, lebt man gesünder - so etwas versaut einem nämlich für längere Zeit die Lust auf Bier…

4 Kommentare:

  1. ich finds gut dass ich diesen blog gefunden hab...gibts denn auch eigene chat-rooms für uns nighties? oder wurde da -wie so oft- nicht an uns gedacht? *g*

    lg aus salzburg

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  2. Oh, ein Kollege: Hallo! Freut mich, dass Dir der Blog gefällt; ich schätze mal, dass Dir die meisten Geschehnisse nicht sonderlich fremd vorkommen.
    Und das mit den Chat-Rooms weiß ich gar nicht, da müsste doch in den unendlichen Weiten des Netzes doch was zu finden sein...
    Danke für Dein Interesse und viel Spaß beim Suchen wünscht
    Benno

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  3. Antworten
    1. Saufen? Na, ich weiß nicht. Wenn ich die Leute sehe, die trinkend vor dem hiesigen Supermarkt rumhängen, sieht es nicht so aus, als wenn denen diese Tätigkeit Spaß machen würde...

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