28.10.2011

Der Gast neigt zur aktiven Fassentspannung: Freimarkt 2

Gäste, die der Fassentspannung nicht abgeneigt gegenüber stehen, sind leider häufig mit viel Arbeit verbunden. Und wenn Freimarkt ist, muss damit gerechnet werden, dass nahezu alle Gäste der Durstbekämpfung oberste Priorität einräumen. Dann muss die Kollegin bei der Schicht-Übergabe eigentlich nur „Bus“ sagen, damit ich weiß, dass bereits am Mittag eine ganze Busladung feierfreudiger Personen stockbesoffen aus dem Gefährt gefallen ist: Nun ja.
Jedenfalls war ich gerade mit der Kassenabrechnung beschäftigt, als ich einen dumpfen Aufschlagston, also so ungefähr „DUNK!“, vernahm. Dieses charakteristische Kopf-auf-Boden-Geräusch kam vom Fahrstuhl; dort lag ein Mann mittleren Alters: Der Oberkörper lag vor dem Fahrstuhl, die untere Hälfte im Fahrstuhl. Die Fahrstuhltür wollte in regelmäßigen Abständen schließen, das ging aber nicht, so dass sie alle zehn Sekunden den liegenden Mann schließen wollte; was ja Quatsch war, denn der Mann war ja schon zu (ich weiß: Der Witz war schal). Offensichtlich ist der Gast nach Betreten des Fahrstuhls zu Boden gegangen und lehnte sich daraufhin an der Fahrstuhltür an; diese öffnete sich dann im Erdgeschoss – DUNK!
Eine andere Geschichte, in der der Fahrstuhl die Hauptrolle spielte, ist meinem Kollegin passiert: Er wurde von Gästen darauf aufmerksam gemacht, dass im Fahrstuhl eine Person läge. Was er sah, erfreute ihn nicht: Ein Mann mittleren Alters in einem sündhaft teuren Anzug – leider mehr oder weniger suffbewusstlos und vollgekotzt von oben bis unten. Der werte Kollege zog sich also einen blauen Müllsack an und brachte den trunkenen Gast mit einem nicht unerheblichen Aufwand in sein Zimmer und reinigte anschließend den besudelten Fahrstuhl. Den Rest der Schicht verbrachte der werte Kollege in einem diffusen Dunst aus Mageninhalt und Schnaps…
Mir hingegen geschah einmal dies: Da kommt der werte Gast mit gefühlten 15 Promille ins Hotel gewabert, durchwühlt ungefähr zehn Minuten seine Taschen und stellt anschließend fest: „Oooasluuuaars!“ „Wie bitte? Wie heißen Sie denn?“ Und das ist bei stockbesoffenen Gästen immer so eine Sache: Bei schwerwiegender Trunkenheit wechseln die Gäste häufig ihre Namen; sie heißen dann oftmals „Hissöa!“. Oder „BLAAL“. Herr Blaal also –das habe ich inzwischen herausbekommen- findet seine Schlüsselkarte nicht mehr wieder. Während ich seine Taschen nach dieser Karte absuche, fuchtelt mir Herr Blaal mit einem dicken Bündel Geldscheinen, geschätzt 2000 Euro, vor meiner Nase herum und verkündet, dass er ALLES bezahlen könne: Was er bezahlen möchte, bleibt sein Geheimnis. Und wirklich: Aus den Tiefen seiner vielen Taschen finde ich die Zimmerkarte.
Kein Thema, Herr Blaal, gern geschehen, ja, Gute Nacht:
Wir sehen uns bestimmt noch mal wieder.
In diesem Zustand kommen sie ALLE noch mal wieder.
Als Herr Blaal wiederkommt, verkündet er, dass er keine Schlüsselkarte habe: Meinen Einwand, dass ich ihm vor wenigen Minuten eine Karte in die Hand gedrückt hätte, weist der Herr entrüstet von sich: Ach, was soll´s; neue Karte ausstellen:
Gute Nacht, Herr Blaal – bis später.
Zehn Minuten später berichtet mir ein Gast, dass im 1.Stock vor dem Fahrstuhl ein Mann liegen würde: Herr Blaal hat es sich offensichtlich gemütlich gemacht; seine Jacke als Kopfkissen verwendet und seinen Hut ins Gesicht gezogen, erwartet er anscheinend eine geruhsame Nacht. Während ich ihn anbrülle, er möge doch bitte aufwachen, versetze ich ihm tatsächlich ein paar Hallowachohrfeigen – eigentlich nicht so meine Art.
Irgendwann bewegt sich der werte Herr Blaal. Um ihm das Aufstehen zu erleichtern, unterstütze ich ihn mit diesem Erste-Hilfe-Griff, mit dem man Verletzte aus Autos birgt; Rautekgriff heißt er wohl. Und wie ich so hinter ihm stehe und versuche, diesen 120-Kilo-Koloss zu bewegen, also genau in dem Augenblick, wo ich ihn hochwuchte – kotet sich Herr Blaal geräuschvoll ein.
Fassungslosigkeit macht sich ebenso breit wie ein infernalischer Gestank. Aber was hilft´s?, Herr Blaal muss in sein Zimmer. In seiner Behausung angekommen, halte ich ihm eine Gardinenpredigt: „Wie kann man sich SO volllaufen lassen? Wo bleibt da die Würde, sagen Sie mir das, Herr Blaal – HERR BLAA-HAAL ach: zwecklos. Herr Blaal: Viel Vergnügen morgen.“

Das war nicht so schön. Und vor allem waren das nur drei von vielen Geschichten rund um die Freimarktzeit.
Also: Noch Durst?

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