22.11.2011

Dr. Gentle and Mr. Breit

Nachdem sich das freundliche, um die dreißig Jahre alte Pärchen von Zimmer 18 nach den Frühstückszeiten erkundigt hatte, verschwand es im Fahrstuhl und ich zurück an meinen Schreibtisch. Wenig später kam der männliche Part des Pärchens noch einmal herunter: „Ich gehe noch mal kurz los, einen Cocktail trinken“, sagte er, wofür ich vollstes Verständnis hatte – denn so ein Cocktail ist doch eine feine Sache.
Ungefähr drei Stunden später bollert und kracht es an die inzwischen verschlossene Eingangstür. Ich öffne und herein kommt der freundliche junge Mann von Zimmer 18. Beziehungsweise der ehemals freundliche junge Mann von Zimmer 18: Anscheinend trank er mehrere Cocktails der Sorte „Bestie“ oder „Sickboy“ oder „Jekyll & Hyde“ oder „Unlucky Punch“ oder was weiß ich, jedenfalls kommt er etwas schwankend, jedoch entschlossen zur Rezeption, bindet dabei seine dicke Uhr ab und fragt mich laut „Ja, ist doch alles okay, oder? Ist doch alles klar oder was? Hä? Ist doch alles klar, oder?“ Worauf ich wahrheitsgemäß antworte: „Ja!“ Und das scheint ihn dann etwas zu beruhigen. Ich händige ihm also seine Schlüsselkarte in seine etwas blutende Hand aus und er verzieht sich verhalten fluchend in Richtung Fahrstuhl. Doch die Erfahrung lehrt: Stark betrunkene Gäste sieht der Nachtportier immer noch mal wieder.
Wenig später klingelt das Telefon und eine weibliche und verängstigte Frau meldet sich aus Zimmer 8: „Jemand will in mein Zimmer einbrechen! Er versucht die Tür aufzubrechen! Helfen Sie mir!“ Na so was: Wer kann das bloß sein…
Ich spurte also zu Zimmer 8, wo der Gast aus Zimmer 18 fleißig erfolglos versucht, sich abwechselnd mit Tritten, Schlägen und Flüchen gegen die Tür sowie seiner inzwischen verbeulten Zimmerkarte Einlass zu verschaffen: Dies gelingt ihm jedoch nicht - weil sich sein Zimmer genau ein Stockwerk darüber befindet. Ich gehe also mit Mr. Hyde die Treppe nach oben, während er halblaut „Kanaken…alle erschießen…die scheiß Kanaken…“ murmelt: Aha, ein dummes Arschloch ist er auch noch.
Wir kommen also beim Zimmer 18 an.
Er klopft.
Sie öffnet.
Und er flötet in einem überaus liebevollen Tonfall: „Liebling, ich bin es!“
 worauf sich die Tür wieder schließt
- und einen perplexen Nachtportier zurücklässt…

1 Kommentar:

  1. Auf die Frage nach dem gefährlichsten Utensil einer Sylvesternacht nannte ein Kollege stets die Flasche Springer, die man nicht verträgt.
    : Recht hat der Mann.

    Grüße!

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